"Wir wurzeln alle im Alltage.
Seine Gewohnheiten machen für die
meisten schlechthin das Leben aus.
In diesem Alltag, den bloss der unbesonnene
Élegant des Geistes bespöttelt, liegt etwas
sehr Grosses ... liegt unsere Cultur."
Michael Haberlandt: Cultur im Alltag. Wien 1900.



Freitag, 4. Dezember 2015

TERMINSACHE NR. 98: DingGeschichte. Museen und Sammlungen in historischer Perspektive



Die "Kölner Vorträge" an der Universität zu Köln beschäftigen sich im Wintersemester 2015/16 mit den Zusammenhängen von Geschichte/Geschichtswissenschaft und materieller Kultur. Nähere Infos zu der von Habbo Koch und Steffi de Jong organisierten Veranstaltungsreihe finden sich hier. 


Ankündigkungstext:

Mit dem „material turn“ hat die Geschichte der Dinge und mit ihr die Materialität der Lebenswelt in den letzten Jahren eine wachsende Aufmerksamkeit in der neuzeitlichen Geschichtswissenschaft gefunden. Denn Dinge „gibt“ es nicht nur, sie haben auch einen nicht-subjektiven Eigensinn, den es zu historisieren gilt. Ihre grundlegende Bedeutung für das Erfahren, Handeln und Kommunizieren des modernen Menschen ist von Jean Baudrillard bis vor allem Bruno Latour ins Zentrum einer Theorie des Sozialen und Kulturellen gerückt worden.
Einen besonderen Ort haben Dinge in Museen und Sammlungen. Dort durchlaufen sie, wie bereits Krzysztof Pomian mit seinem Begriff der „Semiophore“ gezeigt hat, einen dauernden Bedeutungswandel. Indem sie gesammelt, ausgestellt, ausgeliehen, eingelagert und wiederentdeckt werden, ändern sich fortlaufend ihre semiotischen und materiellen Dimensionen: So wird aus dem Horn eines Einhorns als Highlight jeder „Wunderkammer“ im Raum des Naturkundemuseums ein wenig spektakulärer Narwalzahn.
Zuletzt hat Neil MacGregor mit seiner „Geschichte der Welt in 100 Objekten“ in so populärer wie eindrücklicher Weise den Zusammenhang von Dingen, ihren Geschichten und der Ge-schichte am Beispiel von Museumsgegenständen belegt. Zusammen mit dem Auftakt der Studienrichtung „Public History“ im Rahmen der Kölner Masterstudiengänge in Geschichte bietet dieses neue Interesse an den Dingen Grund und Gelegenheit, die Rolle von Museen und Sammlungen anhand der in ihnen erhaltenen, verwalteten und gezeigten Dinge in historischer Perspektive zu betrachten.
Was geschieht in Museen und Sammlungen mit den Dingen? Was macht sie zum Objekt, wie werden sie klassifiziert und bewertet? Wie wird das Materielle zum „Objekt“ und zum „Expo-nat“? Wie verhalten sich Narrative, Dinge und ihre räumlichen Arrangements? Was machen Museen mit den Dingen und umgekehrt, die Dinge mit den Museen? Welchen Ort haben Dinge durch ihre musealen Repräsentationen für die Deutungen und Sinnstiftungen der Moder-ne? Wie hängen Geschichtsschreibung, die Geschichten von Dingen und ihre materielle Überliefung zusammen?
Die „Kölner Vorträge“ wollen somit anhand von Museen und Sammlungen nach historischen Prozessen von Materialisierungen im Verhältnis des Menschen zu anderen lebendigen und nicht-lebendigen Dingen als Grundkonstellation einer Geschichte von Körperlichkeit, Subjektivität und Vergesellschaftung fragen. Museen und Sammlungen sollen hier als besondere Ordnungsform, Repräsentationskultur und Narrativierungspraxis dieses Verhältnisses analysiert werden.



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