"Wir wurzeln alle im Alltage.
Seine Gewohnheiten machen für die
meisten schlechthin das Leben aus.
In diesem Alltag, den bloss der unbesonnene
Élegant des Geistes bespöttelt, liegt etwas
sehr Grosses ... liegt unsere Cultur."
Michael Haberlandt: Cultur im Alltag. Wien 1900.



Samstag, 20. Dezember 2014

ANSICHTSSACHE NR. 71: Baum oder nicht Baum


Bücherbaum in der Ausstellung „Baum-Zeit“ © ÖMV


Im Österreichischen Museum für Volkskunde (Gartenpalais Schönborn, Laudongasse 15-19, 1080 Wien) ist noch bis 15. Februar 2015 die Ausstellung "Baum-Zeit! Vor und nach dem Fest" zu sehen: Es geht um die Aufzucht, Verwendung und Nachnutzung von Weihnachtsbäumen (nähere Infos hier).
Kathrin Pallestrang, eine der Kuratorinnen der Ausstellung, erläutert für diesen Blog die Geschichte des Christbaums und der Ersatz-Christbäume: 

Ersatzbaum und Baumersatz zu Weihnachten

Das Weihnachtsfest ist seit der Verbreitung des Christbaumbrauchs im 19. Jahrhundert gedanklich untrennbar mit diesem verbunden. Der geschmückte Tannenbaum wurde zum dominanten Symbol für Weihnachten, genauer für die sentimentale Idealvorstellung vom Weihnachtsfest wie sie im Biedermeier erfunden und fixiert wurde. Weihnachten war in dieser Zeit im städtischen Bürgertum von einem kirchlich begangenen zu einem familiären Fest geworden, das darüber hinaus die Bestätigung der Kleinfamilie selbst zum Inhalt hat. Aus dem evangelischen Norden Europas, wo der geschmückte Nadelbaum als Versinnbildlichung des Lebensbaums im Paradies diente, wanderte der Brauch über großbürgerliche und adlige Familien in den katholischen Süden. Der Deutsch-Französische Krieg 1870/71 sowie die beiden Weltkriege trugen zur allgemeinen Verbreitung des Christbaums bei: In Lazaretten und Unterkünften standen Weihnachtsbäume, und die Soldaten brachten diese Idee nach Hause mit.
Der geschmückte Baum dominierte außerdem bald andere weihnachtliche Festelemente und die Druckgrafik; Lieder und Weihnachtsgeschichten, in deren Zentrum der Baum steht, trugen dazu bei, die Verknüpfung von Baum und Fest in alle sozialen Schichten zu verbreiten. Der Symbolgehalt der Tannenbaumform wurde dabei so stark, dass der lebende Baum durch einen künstlichen ersetzt werden konnte. Bereits im 19. Jahrhundert standen künstliche Christbäume in Verwendung. Die Ersatzbäume funktionieren fast genauso so gut wie echte. Noch dazu haben sie von vornherein Idealmaße, verlieren keine Nadeln, müssen nach dem Fest nicht entsorgt werden und sind preisgünstig, weil wiederverwendbar.
Im Internet finden sich zahlreiche Tipps, wie ein Baumersatz hergestellt werden kann. Häufig dienen dazu aufgestapelte Bücher. Leitern, Fotostative und andere Gestelle kommen zum Einsatz. Dennoch hat sich weder der Ersatzbaum noch der Baumersatz völlig durchgesetzt. Häufig sind es gerade die WeihnachtsskeptikerInnen, die einen Ersatz aufstellen, und sich so vom Fest distanzieren. Ein künstlicher Baum ist eben nicht echt, daher ist auch das Fest nicht echt bzw. nicht ernst gemeint. Und möglicherweise wollen viele WeihnachtsanhängerInnen wiederum gerade aus diesem Grund einen echten Baum. Die Lieder und Geschichten zur Weihnachtszeit beschreiben schließlich die Nadeln, die Rinde und vor allem den Tannenduft. 



Seifenspender in Weinachtsbaumform
Foto: Maximilian Pramatarov © ÖMV



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