Die beiden Objekte, die auf diesem Plakat des Deutschen Museums in München abgebildet sind, geben Rätsel auf. Das Ding rechts oben ist noch einigermaßen als historischer Fön zu erkennen, nicht zuletzt wegen der Aufschrift, aber um was handelt es sich beim unteren mit dem transparenten Kunststoffgehäuse? Die Ausstellung "Kabelsalat. Energiekonsum im Haushalt", in der diese Objekte zu sehen waren, ist schon länger geschlossen, doch die Objektforschung ging weiter. Eine der Kuratorinnen der Ausstellung, die Historikerin, Kultur- und Sozialanthropologin Sophie Gerber, hat sich nicht nur im Rahmen eines Forschungsprojektes mit dem Titel "Küche, Kühlschrank, Kilowatt. Zum Bedeutungswandel privaten Energiekonsums im 20. Jahrhundert" (Teilprojekt des BMBF-Projekts "Objekte des Energiekonsums"), sondern auch in ihrer kürzlich fertig gestellten Dissertation mit der Frage beschäftigt, wie solche Energie verbrauchenden Objekte in den vergangenen Jahrzehnten zu dem heute üblichen hohen Energiekonsum geführt haben. Ihr Schwerpunkt lag dabei auf Haushaltsgeräten und sie führte im Kontext konsum- und umwelthistorischer Fragestellungen auch konkrete technikhistorische Objektstudien durch.
Für diesen Blog lüftet sie das "Geheimnis" des durchsichtigen Plastikgegenstands - es handelt sich um den Luftbefeuchter-Zerstäuber „Defensor 505“ der Defensor AG Zürich aus dem Jahr 1973 (er befindet sich in den Sammlungen des Deutschen Museums) - und beschreibt dessen Geschichte und Bedeutung:
Was mag an einem großen, runden Gerät aus Plastik, das sich als Luftbefeuchter entpuppt, interessant sein? Für eine Sonderausstellung des BMBF-Projekts „Objekte des Energiekonsums“ 2012 begaben wir uns in der Datenbank und im Depot des Deutschen Museums München auf die Suche nach einem Objekt, das etwas über die Geschichte des privaten Energiekonsums der „langen 1960er Jahre“ erzählen konnte – einer der Schwerpunkte der Ausstellung „Kabelsalat“. Unser Interesse weckte der Luftbefeuchtungsapparat „Defensor 505“ zunächst wegen seiner skurrilen Erscheinung. Die Form und das Material, durchsichtiges Plastik, lassen zudem Assoziationen zu Futuristischem zu und verleihen ihm Ähnlichkeit mit einem UFO. Aufgrund seines besonderen Aussehens wurde der „Defensor“ auch zum Blickfang auf dem Plakat und Katalog der Ausstellung „Kabelsalat. Energiekonsum im Haushalt“. Auf dem Ausstellungsplakat zu „Kabelsalat“ wurde er auch als vermeintliche Zitronenpresse erkannt. Dabei sind die Maße des Gerätes deutlich größer. Aufgrund seiner Größe dürfte der „Defensor“ vor allem für die Regelung der Luftfeuchte in größeren Räumen zweckmäßig gewesen sein.
Anders als die Erfindung der Klimaanlage ist der Ursprung von Geräten zur Regelung der Luftfeuchte in Räumen allerdings kaum dokumentiert. Bekannt ist lediglich, dass 1903 ein gewisser Charles E. Whitmore ein Patent für ein Gerät zur Gewährleistung stabiler Luftfeuchte zur Aufbewahrung von Zigarren und Tabak anmeldete. 1973 wurde ein Luftbefeuchter von einem Herrn Wunderlin in den USA patentiert – aus demselben Jahr stammt auch der „Defensor“. Ältere Zerstäuber bestanden meist aus einer Art Ventilator, der Wasser aus einem Behälter gegen ein feinmaschiges Sieb schleuderte und auf diese Art und Weise Wassernebel erzeugte. Heute kommen vor allem Druckpumpen und Ultraschall zum Befeuchten von Luft zum Einsatz. Im Gegensatz zu sogenannten Verdunstern, die mit Wasser gefüllt beispielsweise an einem Heizkörper angebracht werden und durch das Erhitzen von Wasser passiv die Luft befeuchten, haben Verdampfer wie der „Defensor“ einen relativ hohen Energieverbrauch.
Geräte, die das Raumklima elektrisch regeln, spielen auch in meiner Dissertation, die sich mit der Geschichte des (steigenden) Elektrizitätskonsums während des 20. Jahrhunderts auseinandersetzt, eine Rolle. Schließlich trugen sie nicht unwesentlich zum steigenden Stromverbrauch während der letzten rund 60 Jahre bei. Etliche kleine und große Geräte zum Heizen, Kühlen, Befeuchten und Reinigen der Raumluft waren ab den späten 1950er Jahren vermehrt auf den Markt gekommen. Da immer mehr Haushalte mit Kühlschrank und Elektroherd ausgestattet waren, begab sich die Hausgeräteindustrie auf die Suche nach neuen Absatzmärkten. Auch ein leichter Konjunktureinbruch 1966/67 in der Bundesrepublik Deutschland veranlasste die Hausgeräteproduzenten, neuartige Geschäftssegmente zu erkunden. Zunehmend beachtet wurden Klimageräte aller Art, die zuvor lediglich für die oberen Schichten erschwinglich waren. Dazu gehörten neben Luftbefeuchtern und Tischventilatoren auch Rauchverzehrer – Figuren aus Porzellan mit integrierter Lichtquelle, deren Wärmeentwicklung half, den Geruch eines duftenden Öls im Raum zu verteilen.
Beworben wurden Luftbefeuchter, Ventilatoren und Heizlüfter nicht nur mit den Komfortvorteilen eines konstanten Raumklimas. Neben der gebotenen Behaglichkeit war auch der Hygiene- und Gesundheitsaspekt ein wichtiges Verkaufsargument. Denn, so hieß es von Seiten des Herstellers, schlechte Luft führe zu „Unbehagen und beeinträchtigt die natürlichen Abwehrkräfte des Körpers gegen die in der Raumluft stets vorhandenen Bazillen“. Durch die Benebelung trockener Luft in geheizten Räumen sollte auch der Luftbefeuchtungsapparat „Defensor 505“ dem entgegen wirken. Zusätzlich konnte der spezielle Wirkstoff „DEFENSOL-EP“ versprüht werden, der durch Eukalyptus- und Pinienöl Linderung bei Atemwegserkrankungen und „Heizungskrankheiten“ versprach. Auch für den Schutz gegen „Schäden an Möbeln, Klavieren und Zimmerpflanzen“ wurde der Apparat beworben. Pro Stunde konnte ein halber Liter Wasser nach dem „Aerosol-Prinzip“ im Raum versprüht werden; die Verdunstung von drei Litern Wasser am Tag wurde empfohlen.
Die vermehrte Ausstattung mit diesen beliebten Geräten führte zu einem weiteren Anstieg privaten Energieverbrauchs, sodass der „Spiegel“ 1973 sogar von einem Zusammenbruch der Münchner Stromversorgung berichtete, als zu viele Heizlüfter und Radiatoren gleichzeitig angeschaltet wurden. Auch in der Nähe des baden-württembergischen Esslingen wurde von einem Stromausfall in mehreren Dörfern berichtet, als zu viele Heizgeräte zur gleichen Zeit in Betrieb genommen wurden. Private Haushalte verbrauchten bereits zu dieser Zeit ein Fünftel der deutschen Stromerzeugung. Auch elektrische Nachtspeicheröfen erfreuten sich bei Stromproduzenten, Hauseigentümern und Verbrauchern während der 1960er Jahre steigender Beliebtheit. Doch der hohe Stromverbrauch von Nachtspeicherheizung und Co. geriet während der 1970er Jahre letztlich zunehmend in Kritik.
So wurde der Luftbefeuchter in der Ausstellung „Kabelsalat“ zum Mittelpunkt einer Vitrine, die von der sich etablierenden „Hochenergiegesellschaft“ der 1960er Jahre erzählte. Komfortansprüche, zu denen auch ein gleichbleibendes Raumklima zählte, stiegen und festigten sich. In der Regel waren sie mit hohem Energieverbrauch eng verknüpft. Von den Besucherinnen und Besuchern hinterfragt wurden oft der Zweck und die Notwendigkeit eines solchen Gerätes. Heute finden sich nur selten Luftbefeuchter in Privathaushalten und die Beliebtheit von Klimageräten – abgesehen von der Heizung – ist aus ökologischen Gründen zurückgegangen.
Sophie Gerber:
seit April 2013 Kongressassistentin am Institut für Philosophie der Universität Wien
seit Mai 2009 Doktorandin am Fachgebiet Technikgeschichte (bis 2010: Zentralinstitut für Geschichte der Technik) und bis Juli 2012 Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Rahmen des BMBF-Projekts „Objekte des Energiekonsums“
Ausgewählte Publikationen:
Kabelsalat. Energiekonsum im Haushalt. München: Deutsches Museum, 2012. (mit Nina Möllers und Nina Lorkowski)
Nina Möllers, Karin Zachmann, eds., Past and Present Energy Societies. How Energy Connects Politics, Technologies and Cultures. Bielefeld: transcript, 2012.
Küche, Kühlschrank, Kilowatt. Zur Geschichte des privaten Energiekonsums 1945-1990. Unveröffentlichte Dissertation, Technische Universität München (Publikation folgt voraussichtlich 2014).