"Wir wurzeln alle im Alltage.
Seine Gewohnheiten machen für die
meisten schlechthin das Leben aus.
In diesem Alltag, den bloss der unbesonnene
Élegant des Geistes bespöttelt, liegt etwas
sehr Grosses ... liegt unsere Cultur."
Michael Haberlandt: Cultur im Alltag. Wien 1900.



Samstag, 18. Januar 2014

FORSCHUNGSSACHE NR. 10: Wiener Alltagsleben 1814



Die Kälte, welche bis jetzt ziemlich anhält, ließ heute plötzlich nach, der Schnee schmolz auf den Dächern und Straßen und verwandelte die Stadt beinahe in einen See.

So gestaltete sich das Wetter in Wien vor genau 200 Jahren. Das Zitat stammt aus den Tagebüchern des jungen Wiener Beamten Matthias Franz Perth (1788-1956), es handelt sich um den Eintrag vom 18. Jänner 1814. Der Theaterwissenschaftler, Judaist und Journalist Andreas Kloner bearbeitet diese Tagebücher im Rahmen eines Projekts (die Originale befinden sich in der Handschriftensammlung der Wienbibliothek im Rathaus) und betreibt dazu eine Website, auf der man nicht nur Details zum Projekt erfährt, sondern auch fortlaufend Tagebucheinträge von Perth serviert bekommt.    

Aus der Projektbeschreibung:
Auf dieser Website werden täglich die persönlichen Erlebnisse eines jungen Wiener Beamten veröffentlicht, die dieser vor genau 200 Jahren erlebt und aufgezeichnet hat. Seine Beobachtungen geben Einblick in das Wiener Alltagsleben des frühen 19. Jahrhunderts und dessen sozialen, kulturellen, politischen, religiösen, topographischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge, Einblick in eine Welt, in der es möglich war, Ludwig van Beethoven und Anton Diabelli live musizieren zu hören, fahrende Kutschen ohne Pferdegespann von der Hofburg in den Prater zu begleiten und hautnah den mehr tanzenden, als tagenden Wiener Kongress und dessen illustren Gäste zu erleben. Und nicht zuletzt offenbart sich das Bild eines jungen Mannes zu Beginn des Wiener Biedermeiers, der mit seinen schriftlich festgehaltenen persönlichen Empfindungen und Empfindlichkeiten sich kaum von einem Menschen des 21. Jahrhunderts unterscheidet.


Einen architekturhistorischen Bezug zu den "aktuellen" Unternehmungen von Perth, nämlich der Vorbereitung einer Laientheateraufführung im erzbischöflichen Palast zu Wiener Neudorf, gibt es auf einer anderen Website zu sehen: Der von dem Kunsthistoriker Christian Opitz betriebene Blog Baudenkmäler in Österreich beschäftigt sich im neuesten Beitrag mit der Geschichte dieses Gebäudes bzw. dem, was davon noch übrig ist.

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