Meierei im Wiener Stadtpark, erbaut 1901-1903 nach Plänen der Architekten Friedrich Ohmann und Josef Hackhofer |
Architektonische Feldforschung und verschwundene Typologien
Sachkundig: Der Wiener Architekt Gregor Schuberth (er betreibt zusammen
mit seiner Schwester Johanna Schuberth seit 2005 ein gemeinsames Büro) beschäftigt sich auch mit Architekturgeschichte und schreibt darüber immer wieder kleine Texte
und Artikel, zum Beispiel für Die Presse.
Bisher sind Beiträge über den Wiener Würstelstand, das Burgtor am Heldenplatz
oder ein Erfahrungsbericht über das Wohnen in der Wohnhausanlage Am Schöpfwerk
erschienen.
Spezielles Augenmerk widmet er „verschwundenen
Typologien“: Architektonische Formen, die im Lauf der Zeit verschwinden, aus
welchen Gründen auch immer. Zu diesen verlorenen Typologien zählt zum Beispiel
die Milchtrinkhalle. Für diesen Blog beschreibt er ihre Geschichte:
Meierei und Milchtrinkhalle in Wien
Die Milchtrinkhallen des 19. und frühen 20 Jahrhunderts sind aus der allgemeinen Erinnerung fast vollständig verschwunden. Dabei war der gastronomische Modetrend von anhaltender Dauer.
Milchmeier wurden in Wien die kleinen Stallbetriebe der Vororte genannt, die meisten ohne eigene Rinderzucht, manche schenkten die Milch direkt in eigenen Gastgärten aus. Traditionell wurden auch Molkerei- oder Landwirtschaftsgebäude so bezeichnet; zur Weltausstellung 1873 zeigte man in der Meierei eine Leistungsschau von Rinderarten der Kronländer. Die Kammermeierei der Kaiserin Elisabeth im Tirolergarten des Schlossparks Schönbrunn stellte die geadelte Form dar. 1896 beherbergte das Ensemble im ländlichen Fachwerkstil 26 Rinder und Hühner und versorgte exklusiv den Hof. An die k. u. k. Zuckerbäckerei wurde ebenfalls geliefert, Bestellungen unter Angabe einer bestimmten Kuh sollten Qualität und Fettgehalt sicherstellen. Neben den bäuerlichen Versorgerbetrieben standen die Lusthäuschen und Vergnügungspavillons der Schlossparks Pate bei der Entwicklung zur populären Milchtrinkhalle, darin dem Cafépavillon verwandt. Später werden die Kur- und Esplanadencafés folgen.
Die Milchwelle um die damalige Jahrhundertwende war auch den Kur- und Gesundheitsbewegungen jener Zeit benachbart. In Deutschland bildeten sich Initiativen für gemeinnützigen Milchausschank, um dem Problem des Alkoholmissbrauchs entgegenzutreten. Mit gemischten Erfolg, weil Angebote wie Schulspeisungen und Milchausschank eher von Kindern besser situierter Familien genützt wurden. Süße und saure Milch, pasteurisiert und unpasteurisiert, für diätische Zwecke − die Hinweise auf das damalige Angebot in den Milchhallen sind spärlich. Welche Speisen wurden serviert, wie hat es gerochen, welche Gäste traf man an? (laktosefrei war eher noch keine Kategorie). Zeitreisen oder historisches Spurensuchen sind hier noch gefragt.
Leichter fällt die Bestandsaufnahme der alten Gebäude, weil sie durch Weiternutzung meist erhalten blieben. Eine Zeitlang boomt es geradezu, kein Park und kein Ausflugsziel ohne Meierei. Im brandneu gestalteten Wiener Stadtpark errichten die Architekten Ohmann und Hackhofer 1903 die üppige Milchtrinkhalle gleich mit (nach Kriegsschäden verändert, heute Steirereck). Im Volksgarten wird 1924 ein ehemaliges Wasserreservoir-Häuschen zur Milchtrinkhalle umgebaut (heute Café Meierei Volksgarten). Im gleichen Jahr übernimmt die Wiener Molkerei in der Prater Hauptallee Nr. 3 ein ehemaliges Pavillonhäuschen der Weltausstellung für American Drinks (heute Meierei im Prater). Im Schönbrunner Schlosspark wurde 1927 die offene Veranda eines Gartenpavillons von 1830/40 ummantelt und als Café-Meierei betrieben. Im Ottakringer Kongresspark von 1928 fügte der Architekt dem Schwimm-, Sonnen- und Luftbad den Milchpavillon gleich hinzu; wie auch in anderen kommunalen Bade- und Erholungsanlagen jener Zeit.
1951 gestaltete Architekt Oswald Haerdtl noch einen Milchpavillon neben dem bestehenden Volksgartentanzcafe (heute Volksgarten-Pavillon) und markierte schon das Abklingen der Molkereiwelle − zugunsten neuer Formen, wie z.B. den Espresso-Bars. Der bauliche Typus ist am Gartenpavillon orientiert: meist einfache Einraumgebäude mit umlaufender Loggia oder Veranda. Dementsprechend nahe liegt die Nachnutzung: Cafés und Konditoreien traten an die Stelle der Milchbars und führten nur den Namen weiter. Ein Ausblick nach dem Blick zurück − sollte sich die Fitnessbewegung der heutigen Zeit mit unserem Hang zu Retro-nutzungen verbinden: werden wir wieder Milchtrinkhallen bauen?
Meierei und Milchtrinkhalle in Wien
Die Milchtrinkhallen des 19. und frühen 20 Jahrhunderts sind aus der allgemeinen Erinnerung fast vollständig verschwunden. Dabei war der gastronomische Modetrend von anhaltender Dauer.
Milchmeier wurden in Wien die kleinen Stallbetriebe der Vororte genannt, die meisten ohne eigene Rinderzucht, manche schenkten die Milch direkt in eigenen Gastgärten aus. Traditionell wurden auch Molkerei- oder Landwirtschaftsgebäude so bezeichnet; zur Weltausstellung 1873 zeigte man in der Meierei eine Leistungsschau von Rinderarten der Kronländer. Die Kammermeierei der Kaiserin Elisabeth im Tirolergarten des Schlossparks Schönbrunn stellte die geadelte Form dar. 1896 beherbergte das Ensemble im ländlichen Fachwerkstil 26 Rinder und Hühner und versorgte exklusiv den Hof. An die k. u. k. Zuckerbäckerei wurde ebenfalls geliefert, Bestellungen unter Angabe einer bestimmten Kuh sollten Qualität und Fettgehalt sicherstellen. Neben den bäuerlichen Versorgerbetrieben standen die Lusthäuschen und Vergnügungspavillons der Schlossparks Pate bei der Entwicklung zur populären Milchtrinkhalle, darin dem Cafépavillon verwandt. Später werden die Kur- und Esplanadencafés folgen.
Die Milchwelle um die damalige Jahrhundertwende war auch den Kur- und Gesundheitsbewegungen jener Zeit benachbart. In Deutschland bildeten sich Initiativen für gemeinnützigen Milchausschank, um dem Problem des Alkoholmissbrauchs entgegenzutreten. Mit gemischten Erfolg, weil Angebote wie Schulspeisungen und Milchausschank eher von Kindern besser situierter Familien genützt wurden. Süße und saure Milch, pasteurisiert und unpasteurisiert, für diätische Zwecke − die Hinweise auf das damalige Angebot in den Milchhallen sind spärlich. Welche Speisen wurden serviert, wie hat es gerochen, welche Gäste traf man an? (laktosefrei war eher noch keine Kategorie). Zeitreisen oder historisches Spurensuchen sind hier noch gefragt.
Leichter fällt die Bestandsaufnahme der alten Gebäude, weil sie durch Weiternutzung meist erhalten blieben. Eine Zeitlang boomt es geradezu, kein Park und kein Ausflugsziel ohne Meierei. Im brandneu gestalteten Wiener Stadtpark errichten die Architekten Ohmann und Hackhofer 1903 die üppige Milchtrinkhalle gleich mit (nach Kriegsschäden verändert, heute Steirereck). Im Volksgarten wird 1924 ein ehemaliges Wasserreservoir-Häuschen zur Milchtrinkhalle umgebaut (heute Café Meierei Volksgarten). Im gleichen Jahr übernimmt die Wiener Molkerei in der Prater Hauptallee Nr. 3 ein ehemaliges Pavillonhäuschen der Weltausstellung für American Drinks (heute Meierei im Prater). Im Schönbrunner Schlosspark wurde 1927 die offene Veranda eines Gartenpavillons von 1830/40 ummantelt und als Café-Meierei betrieben. Im Ottakringer Kongresspark von 1928 fügte der Architekt dem Schwimm-, Sonnen- und Luftbad den Milchpavillon gleich hinzu; wie auch in anderen kommunalen Bade- und Erholungsanlagen jener Zeit.
1951 gestaltete Architekt Oswald Haerdtl noch einen Milchpavillon neben dem bestehenden Volksgartentanzcafe (heute Volksgarten-Pavillon) und markierte schon das Abklingen der Molkereiwelle − zugunsten neuer Formen, wie z.B. den Espresso-Bars. Der bauliche Typus ist am Gartenpavillon orientiert: meist einfache Einraumgebäude mit umlaufender Loggia oder Veranda. Dementsprechend nahe liegt die Nachnutzung: Cafés und Konditoreien traten an die Stelle der Milchbars und führten nur den Namen weiter. Ein Ausblick nach dem Blick zurück − sollte sich die Fitnessbewegung der heutigen Zeit mit unserem Hang zu Retro-nutzungen verbinden: werden wir wieder Milchtrinkhallen bauen?
1 Kommentar:
Hallo, danke für den Artikel.Könntest du für das obere Bild (Meierei) mir eine Quelle nennen? Mit freundlichen Grüßen
Judith
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