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Susanne Breuss
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Was zeigt diese Fotografie
aus den 1950er Jahren? Eine glückliche Mutter mit Kind, wie es sich gehört? Solche normativen, klischeehaften Bilder
sind nicht nur in unseren Fotosammlungen, sondern auch in unseren Köpfen fest
verankert. Was dieses Bild nahe zu legen scheint, wird mit dem Wissen um seinen
Entstehungskontext allerdings relativiert.
Das Foto gehört zu einer Serie von
Aufnahmen, die im Garten eines Säuglingsheimes, einer Kinderklinik oder einer
ähnlichen Einrichtung entstanden sind. Die Frauen auf den Fotos treten allesamt als „Mütter“ auf, nämlich als Berufsmütter. Sie pflegen
und betreuen die ihnen anvertrauten Kleinkinder, weil dies ihre bezahlte
Tätigkeit ist. Sie fungieren als Mutterersatz, weil die leiblichen Mütter nicht zur Verfügung stehen. Erkennbar ist die hier abgebildete Ersatzmutter
als solche erst auf den zweiten Blick: sie trägt einen weißen Arbeitskittel. Der Ehering an der linken Hand weist sie als
verheiratete Frau aus. Ob sie auch eigene Kinder hat, ist nicht bekannt. Jedenfalls beherrscht sie offenbar das Repertoire an mütterlichen Gesten, wie das Foto
beweist.
Mütterlichkeit als Beruf – diese Vorstellung von weiblicher Erwerbstätigkeit wurzelt in der bürgerlichen Frauenbewegung des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts wurzelt. Gemäß jenem konservativen Emanzipationsmodell sollten bürgerliche Frauen primär ihrer weiblichen Rolle entsprechend berufstätig sein. Möglichkeiten dazu eröffneten sich auf dem Gebiet der Sozialarbeit und -reform. Der Handlungsbedarf war angesichts grassierender Industrialisierungs- und Urbanisierungsprobleme wie Armut, Wohnungsnot, Hygienemängel, Krankheit und Jugendverwahrlosung groß, zumal die traditionellen Sicherungs- und Fürsorgesysteme nicht mehr ausreichten. Im Zuge der Bürokratisierung und Verwissenschaftlichung der sozialen Arbeit gewannen Frauen nun eine spezifische Bedeutung. Die ihnen aufgrund ihres Geschlechts zugesprochene „natürliche“ Fürsorglichkeit und Mütterlichkeit ließen sie für dieses wie auch für die Krankenpflege besonders geeignet erscheinen. Mit der Professionalisierung der Mütterlichkeit – auf beruflicher wie auf ehrenamtlicher Ebene – war zudem eine Art Kulturmission verknüpft: mütterliche Wärme und Emotionalität sollten als Gegengewicht zur kapitalistischen Rationalität und als Basis sittlicher Erneuerung dienen.
Mütterlichkeit als Beruf – diese Vorstellung von weiblicher Erwerbstätigkeit wurzelt in der bürgerlichen Frauenbewegung des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts wurzelt. Gemäß jenem konservativen Emanzipationsmodell sollten bürgerliche Frauen primär ihrer weiblichen Rolle entsprechend berufstätig sein. Möglichkeiten dazu eröffneten sich auf dem Gebiet der Sozialarbeit und -reform. Der Handlungsbedarf war angesichts grassierender Industrialisierungs- und Urbanisierungsprobleme wie Armut, Wohnungsnot, Hygienemängel, Krankheit und Jugendverwahrlosung groß, zumal die traditionellen Sicherungs- und Fürsorgesysteme nicht mehr ausreichten. Im Zuge der Bürokratisierung und Verwissenschaftlichung der sozialen Arbeit gewannen Frauen nun eine spezifische Bedeutung. Die ihnen aufgrund ihres Geschlechts zugesprochene „natürliche“ Fürsorglichkeit und Mütterlichkeit ließen sie für dieses wie auch für die Krankenpflege besonders geeignet erscheinen. Mit der Professionalisierung der Mütterlichkeit – auf beruflicher wie auf ehrenamtlicher Ebene – war zudem eine Art Kulturmission verknüpft: mütterliche Wärme und Emotionalität sollten als Gegengewicht zur kapitalistischen Rationalität und als Basis sittlicher Erneuerung dienen.
Dieser Text erschien erstmals als:
Susanne Breuss: Mütterlichkeit als Beruf (= Fotoglosse schwarz & weiß). In: Wiener Zeitung Extra, 17. Mai 2008, S. 2.
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