© Archiv
Susanne Breuss
|
Heute vor 140 Jahren, am 1. Mai 1873 wurde in Wien die Weltausstellung eröffnet. Von den Hauptgebäuden des Areals im Prater war zu diesem Zeitpunkt allerdings erst die Rotunde fertig.
Dieser imposante und „wunderliche Bau“ oder „Blechhaufen“, wie ihn die erstaunten und irritierten Zeitgenossen nannten, war das zentrale Bauwerk des Weltausstellungsgeländes. Das Grundkonzept für den kreisrunden Kuppelbau stammte von dem englischen Schiffsbauingenieur John Scott-Russell und sollte die Leistungsfähigkeit moderner Eisenkonstruktionen demonstrieren. Da er entgegen den Vereinbarungen keine detaillierten Baupläne lieferte, mussten seine Skizzen in Wien überarbeitet und in eine realisierbare Form gebracht werden. Baubeginn war der Winter 1871. Mit dem Aushubmaterial wurde der heute noch bestehende Konstantinhügel angelegt.
Bis zu ihrer Zerstörung blieb die Rotunde der weltweit größte Kuppelbau. Die Rundbaukonstruktion ohne Zwischenstütze gilt bis heute als ein Meisterwerk der Ingenieurskunst. Allein der Zentralraum hatte ein Fassungsvermögen von 20.000 Personen, insgesamt betrug die Kapazität sogar das Doppelte. Abgeschlossen wurde die Kuppel in 85 Metern Höhe von einer fast 4.000 Kilogramm schweren Nachbildung der österreichischen Kaiserkrone. Über einen hydraulischen Aufzug und eine Wendeltreppe konnte das Dach der Kuppel bestiegen werden – angesichts der guten Aussicht eine beliebte Besucherattraktion. Nach dem Ende der Weltausstellung diente die Rotunde weiterhin als Ausstellungshalle.
Das obige Foto zeigt die Rotunde nachdem sie am 17. September 1937, kurz nach dem Ende der Herbstmesse, durch einen Brand innerhalb nur einer Stunde zerstört wurde. Die weithin sichtbaren Rauchsäulen hatten damals die Wiener Bevölkerung mobilisiert, tausende Schaulustige waren ausgezogen, um diesem katastrophalen Ereignis beizuwohnen. Auch hochrangige Politiker wie Bundespräsident Miklas und Bundeskanzler Schuschnigg waren vor Ort. Sowohl für Profi- als auch für Amateurfotografen war der Brand ein spektakuläres Fotomotiv. Die hier abgebildete Amateuraufnahme stammt aus einem Familienalbum, das der Brandruine eine ganze Seite mit mehreren Fotos widmete. Im Zentrum des Bildes ist der Rest des mächtigen Haupt- bzw. Südportals zu sehen. Darauf hatte sich eine Inschrift befunden, die mit den Worten „Ein Wunderwerk der Technik von kühnem Geist ersonnen“ begann.
Texte:
Susanne Breuss: Von kühnem Geist ersonnen (= Fotoglosse schwarz & weiß). In: Wiener Zeitung Extra, 18./19.9.2010. S. 11.
Stefan Konrath: Der Blechhaufen von Wien. Eine Studie über die wirtschaftliche und kulturhistorische Bedeutung der Wiener Rotunde. Diplomarbeit Universität Wien 2008.
Ausstellung:
Im Wiener Bezirksmuseum Leopoldstadt ist noch bis zum 30. Juni 2013 eine Ausstellung über die Rotunde zu sehen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen