"Wir wurzeln alle im Alltage.
Seine Gewohnheiten machen für die
meisten schlechthin das Leben aus.
In diesem Alltag, den bloss der unbesonnene
Élegant des Geistes bespöttelt, liegt etwas
sehr Grosses ... liegt unsere Cultur."
Michael Haberlandt: Cultur im Alltag. Wien 1900.



Montag, 22. Juli 2013

HÖRSACHE NR. 34: Die Samenbombe


Samenbomben


© Wolfgang Popp / ORF


Seit September 2012 sendet Ö1 im Rahmen von Leporello die von Wolfgang Popp in Zusammenarbeit mit dem Wien Museum und dem Technischen Museum Wien gestaltete Jahres-Serie „Zum Greifen nah. Gegenstände erzählen Geschichte“, in der ausgewählte Alltagsdinge aus den Sammlungen der beiden Museen porträtiert werden.

Mit der heutigen Sendung ist die Reihe im Jahr 2013 und damit an ihrem Ende angekommen. Zum Abschluss gab es eine "Doppelausgabe", in der Peter Payer für das Technische Museum Wien und ich für das Wien Museum gemeinsam mit Wolfgang Popp über die "Samenbombe" und ihre praktische und symbolische Bedeutung für eine ganze Reihe von wichtigen Gegenwartstrends sprachen. Ursprünglich für gärtnerische Guerillaaktionen im New York der 1970er Jahre entwickelt, um auch an entlegenen und schwer zugänglichen Stellen Pflanzensamen anbringen zu können, steht die Samenbombe heute nicht mehr so sehr für Subversivität, sondern viel mehr für das gewachsene Bedürfnis breiter Bevölkerungsschichten, den städtischen Lebensraum zu verbessern und eigeninitiativ an der Gestaltung der eigenen Umwelt teilzuhaben. "Guerilla Gardening" und "Urban Gardening" stehen für ein neues Verständnis von Urbanität und öffentlichem Raum, Wohlstand und Lebensqualität ebenso wie es dabei um die Auseinandersetzung mit natürlichen Ressourcen, Raumverteilung, Globalisierung, der Ökonomisierung sämtlicher Lebensbereiche, ökologischen Fragen, der Herkunft und Qualität von Nahrungsmitteln, Gesundheit, Nachbarschaft oder um die Suche nach sinnvollen Freizeitbeschäftigungen und Alternativen zum Konsumwahn sowie zur Virtualisierung und Technisierung des Lebens geht. In den unscheinbaren braunen Kugeln steckt also weitaus mehr als ein paar Gramm Ton, Erde und Pflanzensamen. Mussten derartige Samenbomben zunächst selbst hergestellt werden, kann man sie mittlerweile in Bioläden, Drogerie- und Blumenmärkten fertig kaufen - ein deutliches Zeichen dafür, dass die Bewegung im Mainstream angekommen ist.       

Website "Zum Greifen nah"
Zum Nachhören


Keine Kommentare: