„Müssen die Hausfrauen den Architekten und auch manchen Möbelerzeugern nicht dafür dankbar sein, daß sie die neuen Sachlichkeits- und Nützlichkeitsprinzipien auch in ihrer Werkstatt wirksam werden ließen und sich um deren Vervollkommnung noch weiter bemühen?“Mit dieser Frage beendete die Journalistin und Vertreterin der österreichischen Frauenbewegung Gisela Urban im Jahr 1933 einen Artikel über die moderne Küche und deren Einrichtung. Illustriert war der Beitrag mit zwei Fotos von einem „Patent-Küchenschrank“ der Wiener Möbel-Firma Erdö, welche auf der Taborstraße im 2. Bezirk angesiedelt war. Dabei handelte es sich um einen kombinierten Geschirr- und Vorratsschrank, wie er damals – oft nach US-amerikanischem Vorbild – stark propagiert wurde, insbesondere für kleinere Wohnungen, die über keine eigene Speisekammer verfügten.
Die Erdö-Küchenschränke waren in den Jahren um 1930 so etwas wie die Wiener Stars unter den neuen, nach rationellen und hygienischen Kriterien gestalteten Küchenmöbeln: „Glatt, ohne staubfangenden Zierat, mit Schwenktüren versehen und praktisch eingerichtet – das ist der moderne Küchenschrank“, brachte es ein Haushaltsratgeber auf den Punkt. Ihre Beliebtheit hatte vermutlich nicht zuletzt damit zu tun, dass viele Wiener Hausfrauen offensichtlich ungern von der traditionellen, für die Kleinküchen in den Neubauten allerdings zu wuchtigen Küchenkredenz lassen wollten und gewisse Vorbehalte gegenüber allzu funktionell anmutenden Einbauküchen hegten (zumal diese noch nicht als normierte Fertigmöbel auf dem Markt waren und daher individuell vom Tischler gefertigt werden mussten, was einen erheblichen Kostenaufwand bedeutete).
Die Erdö-Schränke und andere derartige „amerikanische“ Kredenzen stellten somit einen auch in finanzieller Hinsicht willkommenen Kompromiss dar, denn ihre ausgeklügelte und Platz sparende Konstruktion erlaubte eine Aufstellung auch in knapp bemessenen Küchen. Kein Wunder also, dass sie in den verschiedenen zeitgenössischen Wohn-Ausstellungen gerne als vorbildhafte Möbel gezeigt wurden – so etwa auf der Wiener Werkbundsiedlungsausstellung im Jahr 1932. Die Konzeption solcher Möbel orientierte sich vorrangig an den Bedürfnissen des dienstbotenlosen Haushalts, mit ihrer Hilfe sollte es der Hausfrau möglich sein, die Küchenarbeit kräfte- und zeitsparend zu erledigen. Nicht nur in Ausstellungen, auch in Zeitschriften und Haushaltsratgebern wurden die Erdö-Schränke und ähnliche Modelle in all ihren Details ausgiebig gewürdigt. Ausschlaggebend war dabei die Erkenntnis: „es sind zumeist die tausend Kleinigkeiten des Alltags, an denen wir zermürben, die unsere Nerven zugrunde richten“, wie es ein Ratgeber formulierte.
Ausstellung:
Ein Erdö-Patentküchenschrank ist derzeit in einer Ausstellung des Wien Museums Karlsplatz zu sehen:
Werkbundsiedlung Wien 1932 – Ein Manifest des Neuen Wohnens (bis 13. Jänner 2013).
Infos hier
Texte:
Susanne Breuss: Mit allen Finessen und Apparaten. Küchen und Hauswirtschaft in der Werkbundsiedlung. In: Andreas Nierhaus u. Eva-Maria Orosz (Hg.): Werkbundsiedlung Wien 1932. Ein Manifest des Neuen Wohnens. Ausstellungskatalog. Salzburg/Wien 2012. S. 82-89.
Susanne Breuss: „Der Nerv der Wohnung“. Moderne Küchengestaltung im Wien der Zwischenkriegszeit. In: Wiener Zeitung Extra, 25.4.2008.
Text auf Wiener Zeitung Online hier
Ein Erdö-Patentküchenschrank ist derzeit in einer Ausstellung des Wien Museums Karlsplatz zu sehen:
Werkbundsiedlung Wien 1932 – Ein Manifest des Neuen Wohnens (bis 13. Jänner 2013).
Infos hier
Texte:
Susanne Breuss: Mit allen Finessen und Apparaten. Küchen und Hauswirtschaft in der Werkbundsiedlung. In: Andreas Nierhaus u. Eva-Maria Orosz (Hg.): Werkbundsiedlung Wien 1932. Ein Manifest des Neuen Wohnens. Ausstellungskatalog. Salzburg/Wien 2012. S. 82-89.
Susanne Breuss: „Der Nerv der Wohnung“. Moderne Küchengestaltung im Wien der Zwischenkriegszeit. In: Wiener Zeitung Extra, 25.4.2008.
Text auf Wiener Zeitung Online hier
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