In den 1920er Jahren avancierte die Puderdose zu einem
wichtigen Schönheits- und Modeaccessoire. Das Pudern des Gesichts (vor allem,
um den Teint heller und matter erscheinen zu lassen) war zwar schon lange
üblich, doch geschah es meist im Verborgenen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden
viele frühere „Schönheitsgeheimnisse“ nüchterner betrachtet, denn die veränderte
soziale Rolle der Frauen brachte neue Verhaltensnormen mit sich.
Dekorative Kosmetik wurde zu einem Massenphänomen, das
Schminken verlor seinen moralisch negativ besetzten Nimbus. Nicht mehr
Natürlichkeit pur war nun das Ideal (wie im bürgerlichen 19. Jahrhundert, als
man sich vom „dekadenten“ Adel abgrenzen wollte), sondern gepflegtes und attraktives
Aussehen – und es war klar (und wurde öffentlich erörtert), dass dieses mit
Hilfe aller möglichen Mittel und Methoden erst „hergestellt“ werden musste.
Die Puderdose wurde nicht nur zum ständigen Begleiter vieler
Frauen, sondern geradezu zum Symbol dieses neuen Verständnisses von
Schönheitspflege. Um den Massenmarkt zu bedienen, gab es sie nun auch preisgünstig
aus hübsch gestaltetem Karton. Die teureren Versionen aus Metall lebten vor
allem als Handtaschenmodelle fort. Mit ihrem Innenspiegel waren sie ein
wichtiges Kontrollinstrument: Überall und jederzeit konnte so das Aussehen
überprüft und bei Bedarf korrigiert werden. Um 1930, mit
zunehmender Arbeitslosigkeit und verstärktem Konkurrenzdruck, wurde die
Selbstoptimierung zum Gebot der Stunde – das betonten nicht nur
Frauenzeitschriften und Schönheitsratgeber, sondern auch die Autoren
soziologischer Studien.
Foto: © Wien Museum |
Radiosendung:
Seit September 2012 sendet Ö1 im Rahmen von Leporello die von Wolfgang Popp in Zusammenarbeit mit
dem Wien Museum und dem Technischen Museum Wien gestaltete Jahres-Serie
„Zum Greifen nah. Gegenstände erzählen Geschichte“, in der ausgewählte Alltagsdinge
aus den Sammlungen der beiden Museen porträtiert werden.
Heute ging es in der Sendung um eine Puderdose aus dem Jahr 1927 (Interview mit
Susanne Breuss).
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