"Wir wurzeln alle im Alltage.
Seine Gewohnheiten machen für die
meisten schlechthin das Leben aus.
In diesem Alltag, den bloss der unbesonnene
Élegant des Geistes bespöttelt, liegt etwas
sehr Grosses ... liegt unsere Cultur."
Michael Haberlandt: Cultur im Alltag. Wien 1900.



Donnerstag, 27. Dezember 2012

FOTOSACHE NR. 3: Schneeballschlacht


© Archiv Susanne Breuss


„Was für ein bildsames Material ist doch der Schnee! Er ballt sich zu Geschossen, er dient dem künstlerischen Treiben der lustigen Jugend, wird Hügel und Festung, Thor und Haus.“
Szenen wie jene auf dieser Fotografie hatte Michael Haberlandt, einer der Gründer des Österreichischen Museums für Volkskunde wohl vor Augen, als er in einem 1900 erschienenen Aufsatz über Freud und Leid des Schnees nachdachte. 
Gar so jugendlich ist diese Partie zwar nicht mehr, lustig und ausgelassen wirkt sie aber allemal – eine wohl unvermeidliche Begleiterscheinung, wenn man aus dem „bildsamen“ Schnee Geschosse formt und sich gegenseitig damit bewirft, egal in welchem Lebensalter man sich gerade befindet.
Vielleicht spielt auch der Zeitpunkt der Aufnahme – Jänner 1940 – eine Rolle: Da es für die Abgebildeten angesichts des wenige Monate zuvor ausgebrochenen Krieges vermutlich nicht allzu viel Anlass zu Übermut gab, war so eine harmlose Schneeballschlacht mitten in der Stadt sicher eine willkommene Gelegenheit, sich trotz der damals herrschenden eisigen Temperaturen für einen Moment unbeschwert am Leben zu erfreuen.

Text:
Die vollständige Fassung dieses Textes erschien als:
Susanne Breuss: Welch bildsames Material! (= Fotoglosse schwarz & weiß). In: Wiener Zeitung Extra, 22./23. Dezember 2012, S. 43.
 

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