"Wir wurzeln alle im Alltage.
Seine Gewohnheiten machen für die
meisten schlechthin das Leben aus.
In diesem Alltag, den bloss der unbesonnene
Élegant des Geistes bespöttelt, liegt etwas
sehr Grosses ... liegt unsere Cultur."
Michael Haberlandt: Cultur im Alltag. Wien 1900.



Mittwoch, 27. Februar 2013

TERMINSACHE NR. 18: Materielle Kulturforschung (CFP)


Eine Tagung, bei der auch Vorträge zu Alltagsgegenständen erwünscht sind:
 
CFP: Materielle Kulturforschung - eine Zwischenbilanz. Zum
epistemischen Gewinn einer vermeintlich neuen

Perspektive - Gotha 12/13


Forschungszentrum für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien Gotha
der Universität Erfurt/ Martin Mulsow; International Graduate Centre for

the Study of Culture der JLU Gießen/ Annette Cremer
05.12.2013-07.12.2013, Gotha, Forschungszentrum
Deadline: 15.04.2013

Teil I, 5.-7.12.2013: Early Modern Material Culture (Gotha)
Teil II, 11/ 2014: Materielle Kulturforschung trans-epochal. Dinge

im Kontextwandel: Bewertung, Entwertung, Umdeutung. Phänomene der
Epochenübergänge und gesellschafts-politische Krisen im Spiegel der
Dinge (Gießen)


Vortragsvorschläge (30 Min.) über max. 250-300 W. und Kurzbiographie bis
zum 12. April 2013 an:
annette.cremer@gcsc.uni-giessen.de

 

Spätestens seit der Ausschreibung des BMBF im Mai 2012 boomt die
Materielle-Kultur-Forschung auch in Deutschland. Dabei handelt sich
keinesfalls um eine neue Perspektive, sondern um das Ergebnis
interdisziplinärer Forschungsansätze, die bereits zu Beginn der 1990er
in der USA entwickelt und von dort als objektgestützte Methode auf
andere Felder übertragen und so erstmals für die Kulturwissenschaften
erschlossen wurde. Die Beschäftigung mit materiellen
Hinterlassenschaften vergangener Epochen war bis dahin die Domäne von
Archäologie und Volkskunde/ Europäischer Ethnologie. Als material
culture studies hat sich die Beschäftigung mit den Dingen als Leitmedium
im anglo-amerikanischen Raum bereits als eigenständiges Fach etabliert.
Die wissenschaftspolitische Dimension des nun auch im deutschsprachigen
Raum ausgelobten Forschungsfeldes gilt es, kritisch zu hinterfragen:
Handelt es sich bei der materiellen Kulturforschung um ein
Modeerscheinung, ein Teilgebiet oder möglicherweise um eine eigene
Disziplin innerhalb der historischen Wissenschaften? "Funktioniert"
materielle Kultur als Erkenntnismedium in allen Epochen gleich gut?

Das Ziel der Tagungen ist, den erhofften epistemischen Gewinn der
materiellen Kulturforschung grundlegend auf seine Tragfähigkeit hin zu
prüfen. Welche Erkenntniserweiterungen ergeben sich durch die
Beschäftigung mit Objekten/Dingen/Artefakten als Quelle? Wie lassen sich
die Begriffe abgrenzen? Werden bereits bekannte historische Phänomene im
Spiegel der Dinge neu zu perspektivieren sein? Nach Latour sind Objekte
Akteure mit eigenem Handlungsskript und beinhalten Aussagen über die
Personen, die sich mit ihnen umgeben oder sie nutzen, wie ebenso über
zeitgenössische Praxis und Normen. Können Dinge als Quelle dazu dienen,
Denkmodelle oder kulturelle Praxis zu erschließen, die durch Text- oder
Bildquellen nicht sichtbar zu machen wären? Welches Mehr an
Informationen transportieren Objekte in unmittelbarer Weise und wie
lässt sich dieser Informationsgehalt übersetzen? Reicht zum Vorgang der
Übersetzung Sprache oder müssen haptische Informationsgehalte integriert
werden? Damit verbunden werden erneut Fragen nach der Wiederholung
historischer Wahrnehmung gestellt. Methodisch von besonderem Interesse
sind u.a. die medialen Brüche, die sich ergeben, wenn die Dinge nicht in
ihrer dreidimensionalen Körperlichkeit, sondern ausschließlich als
Beschreibung vermittelt durch Texte, Bilder oder literarische
Verarbeitungen vorliegen.

Teil 1 der Tagung konzentriert sich auf die Epoche der Frühen Neuzeit
und lädt zur interdisziplinären Auseinandersetzung mit den Dingen ein.
Schwerpunkt der Tagung soll die anhand von Beispielen (auch
zeitgenössisch) geführte Auseinandersetzung mit materieller Kultur als
Erkenntnismedium liegen. Was kann materielle Kulturforschung leisten und
wo liegen ihre Grenzen? Wir laden daher besonders zu Vorträgen ein, die
sich mit den theoretischen Implikationen der materiellen Kulturforschung
befassen. 


Quelle und weitere Infos: hsozkult 

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