"Wir wurzeln alle im Alltage.
Seine Gewohnheiten machen für die
meisten schlechthin das Leben aus.
In diesem Alltag, den bloss der unbesonnene
Élegant des Geistes bespöttelt, liegt etwas
sehr Grosses ... liegt unsere Cultur."
Michael Haberlandt: Cultur im Alltag. Wien 1900.



Freitag, 1. Februar 2013

ANSICHTSSACHE NR. 11: Eine Frau in Männerkleidern - Irma von Troll-Borostyáni


Irma von Troll-Borostyáni, Foto: Ferencz Kozmata, Budapest, 1873–82, Salzburg Museum
© Salzburg Museum

Viele alltägliche Dinge sind "weiblich" oder "männlich" codiert, "gendered objects" ein wichtiger Bestandteil von Geschlechterkonstruktionen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Kleidung, da sie bei der Wahrnehmung und sozialen Kategorisierung von Menschen ein wesentliches Moment darstellt. Die Person auf obigem Foto tritt mit ihrer Kleidung und Frisur wie ein Mann aus der Zeit um 1870/80 in Erscheinung - es handelt sich dabei allerdings um eine Frau, nämlich die Salzburger Schriftstellerin Irma von Troll-Borostyáni (1847-1912), einer radikalen Vorkämpferin der Frauenemanzipation. Bereits als junges Mädchen ließ sie sich die Haare kurz schneiden, was im 19. Jahrhundert, als langes Haar zu den unabdingbaren Merkmalen von Weiblichkeit zählte, skandalös war. In ihrem satirischen Pamphlet "Das Weib und seine Kleidung" setzte sie sich 1897 für eine grundlegende Reform der weiblichen Kleidung ein. Auch für sich selbst lehnte sie die "Panzermieder", die "formlos schlotternden Röcke", die "lächerlich aufgeputzten" Hüte auf dem hochgetürmten, schweren Haarballast oder die zu engen und zu hohen Damenschuhe ab und kleidete sich lieber in Hosen, Hemden und Sakkos. 

Noch bis 10. Februar 2013 zeigt das Salzburg Museum die Ausstellung "Ungehalten - Irma von Troll-Borostyáni (1847-1912). Vorkämpferin der Frauenemanzipation". Auf der Website des Museums gibt es nicht nur die üblichen Hinweise zur Ausstellung, sondern auch mehrere Seiten mit ausführlichen Informationen zu Leben und Werk dieser unkonventionellen und engagierten Frau, die sich u. a. für eine bessere Bildung der Frauen und für bessere Löhne einsetzte, und 1893 Gründungsmitglied des Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins war.     

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