"Wir wurzeln alle im Alltage.
Seine Gewohnheiten machen für die
meisten schlechthin das Leben aus.
In diesem Alltag, den bloss der unbesonnene
Élegant des Geistes bespöttelt, liegt etwas
sehr Grosses ... liegt unsere Cultur."
Michael Haberlandt: Cultur im Alltag. Wien 1900.



Freitag, 22. Februar 2013

WERTSACHE NR. 1: Taschentuch des Todes


"Welches Alltagsding hat für Dich/Sie einen besonderen Wert?" Diese Frage beantworten hier unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Vorlieben und Interessen. Besonders sein, das können Gegenstände, die den Alltag schöner, angenehmer, sinnvoller oder lustiger machen, die an etwas Bedeutsames erinnern, ein Symbol für eine wichtige Erfahrung sind, oder die man einfach gerne um sich oder bei sich hat. Dinge, die einem wichtig sind, müssen nicht unbedingt "wertvoll" im monetären Sinn sein - oft genug handelt es sich dabei um auf den ersten Blick banale und unscheinbare Dinge oder simple und billige Massenprodukte. Zu "Wertsachen" oder Lieblingsdingen werden sie in jedem Fall erst durch die persönliche Geschichte, die sich mit ihnen verbindet.





Wertsache Nr. 1 wurde ausgewählt von Ela Grabner: Es handelt sich um einen sehr gewöhnlichen Alltagsgegenstand, nämlich ein Papiertaschentuch. Das Besondere an diesem Exemplar ist sein Aufdruck, denn er stellt einen Bezug zu einem ihrer Interessens- und Arbeitsschwerpunkte, der Geschichte des Todes, her. Woher dieses Interesse rührt? Ela Grabner erkärt es sich damit, dass sie einen Großteil ihrer Vorschuljahre in Begleitung ihrer früh verwitweten Großmutter auf dem Friedhof einer westösterreichischen Kleinstadt verbracht und dort zahlreiche, in der Friedhofskapelle aufgebahrte Tote unter Spitzenschleiern oder mit Totenkrönlein gesehen hat. Bis zu jener Schulzeichnung, die dazu führte, dass ihre Eltern vom Direktor vorgeladen wurden, war es da nicht mehr weit: Mit zehn Jahren malte sie im Unterricht ihren eigenen Grabstein samt invertiertem Kreuz. Mit zwölf geriet sie - vorhersehbar - in die Schwarze Szene.

Hier stellt sie ihre Wertsache vor:
Das (Papier-)Taschentuch des Todes (2012) - Mein Beitrag zur Schnupfen- und Grippezeit:
Der entzückende, gesichtslose Sensenmann mit Kapuze ist eine Schöpfung des deutschen Zeichners Joscha Sauer und gehört zu seiner Cartoonserie "Nicht Lustig". Neben den suizidalen Lemmingen, den Yetis, Sauriern oder Herrn Riebmann, der in der Wand wohnt, fällt vor allem der Tod durch seine eigene Persönlichkeit in den ironischen, schwarzhumorigen Bildgeschichten auf.
Aufgrund seiner Popularität und trotz - oder gerade wegen ? - der ubiquitären Angst vor ihm ziert er zahlreiche "Gimmick"-Artikel, vom Kugelschreiber bis zum Handtuch, von der Geldbörse bis zum Notizbuch.
Was, Sie sind schon erkältet? Dann probieren Sie die selbstverständlich ebenfalls nicht lustigen "Mints des Todes" - und bald sind Sie nicht nur Ihren Schnupfen los... You've been warned.
Mit Texten und Bildern bedruckte Taschentücher gibt es übrigens schon ziemlich lange (wobei der Begriff Taschentuch erst seit dem frühen 19. Jahrhundert gebräuchlich ist - älter sind die Bezeichnungen Schneuztuch, Schnupftuch oder Nasentuch). So erkannte etwa der Herzog von Marlborough die Eignung des Taschentuchs als politisches Werbemittel: Er ließ 1702 seine Siege und 1710 seine Parlamentsrede auf Tücher drucken und verteilen. Als Geschenk oder Souvenir beliebt waren mit Landkarten, Kalendern, Porträts von Prominenten, Karikaturen, Partituren, Witz- oder Spottbildern bedruckte Taschentücher.


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