Quelle: hsozkult
CFP: Materialität von Aufklärung und Volkskultur:
Bücher, Bilder, Praxen - Wittenberg 05/13
Prof. Dr. Thomas Bremer (Halle); mit Prof. Dr. Francoise Knopper
(Toulouse); Dr. Wolfgang Fink (Lyon); Prof. Dr. Thomas Nicklas (Reims)
im Rahmen des Forschergruppen-Projekts "La dichotomie entre savoirs des
élites et cultures populaires dans les pays de langue allemande
(1740-1795)" (Programm CIERA, Paris)
09.05.2013-12.05.2013, Wittenberg, Stiftung LEUCOREA
Deadline: 15.02.2013
Die materielle Seite der Literatur und des Wissensdiskurses ist in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit gerückt. Fragen wie die nach der materiellen Seite des Schreibens (welcher Textträger? wieviel Text-Schichten?) verbinden Aspekte der Kulturwissenschaft mit solchen z.B. der Editionsphilologie und haben ihren Niederschlag in Ausstellungen (Klassik Stiftung Weimar, 2012) ebenso gefunden wie in Sammelbänden (Materialität in der Editionswissenschaft, 2010).
Sie kennzeichnen aber auch den Dualismus zwischen dem Wissen der intellektuellen Eliten und der Volkskultur im 18. Jahrhundert. Wie funktioniert Wissenszirkulation zwischen 1740 und 1795 materiell? Aus welchen Quellen stammt die Kenntnis populärer Kulturpraxen (z.B. Reiseberichte), was liegt ihnen zugrunde (z.B. Devotionalien)? Wie materialisiert sich Wissen innerhalb von eher nicht-intellektuellen Schichten der Bevölkerung (z.B. Almanache, Katechismen, Schulmaterialien)? Welche Rolle spielen hierbei Visualisierungen (z.B. Bilderdrucke, Puppen/Figuren)? Aber auch: welche Rolle spielen materielle Zeugnisse für die Wissensdiskurse innerhalb der intellektuellen Eliten (z.B. exotische Objekte für die Konstitution der frühen Ethnografie, etwa im Blick auf die Reisen in die peripheren Kulturen Europas oder in die Südsee)? Welche Rolle spielen hier unterschiedliche Formen von Sammlungen (Wissenschaftler, Missionare, höfische und bürgerliche Sammler) und Lehrmaterialien?
Im Mittelpunkt der Tagung stehen daher alle Überlegungen, die sich auf die materielle Seite (im engeren und weiteren Sinne) der deutschsprachigen Wissensdiskurse zwischen 1740 und 1795 beziehen; Untersuchungen gerade auch zu häufig weniger bearbeiteten Kulturräumen (habsburgische Länder, Schweiz) sind willkommen. Angesichts der Intention des CIERA zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses werden gerade auch jüngere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in fortgeschrittener Promotions-/Postdoc-Phase ermutigt, eine kurze Projektskizze vorzulegen.
Prof. Dr. Thomas Bremer
Institut für Romanistik, 06099 Halle (Saale)
thomas.bremer@romanistik.uni-halle.de
Dinge Bilder Menschen Geschichte(n) Sammlungen Museen Ausstellungen Publikationen Veranstaltungen Forschung Interviews Fundsachen Ansichtssachen Hörsachen Schreibsachen Terminsachen Jobsachen In eigener Sache
"Wir wurzeln alle im Alltage.
Seine Gewohnheiten machen für die
meisten schlechthin das Leben aus.
In diesem Alltag, den bloss der unbesonnene
Élegant des Geistes bespöttelt, liegt etwas
sehr Grosses ... liegt unsere Cultur."
Michael Haberlandt: Cultur im Alltag. Wien 1900.
Donnerstag, 31. Januar 2013
Mittwoch, 30. Januar 2013
ANSICHTSSACHE NR. 10: Weihnachten - letzte Chance
Räuchergefäß, Österreich, 19. Jahrhundert
© Österreichisches Museum für Volkskunde, Christa Knott
|
Weihnachten wurde zwar längst von der Faschings- und Ballsaison verdrängt, und vermutlich ist inzwischen auch der letzte Christbaumschmuck in Schachteln und Kisten verstaut - in den etwas "langsameren" Museen gibt es aber noch für einige wenige Tage die Möglichkeit, weihnachtliche Objekte zu besichtigen:
Im Österreichischen Museum für Volkskunde in Wien ist noch bis 3. Februar 2013 die Ausstellung Weihnachten - noch Fragen? zu sehen, im Schlossmuseum Linz (Oberösterreichische Landesmuseen) bis 2. Februar 2013 die Ausstellung geklappt und gefaltet. Aufstellkrippen aus Karton.
Wie das hier abgebildete "gestiefelte" Räuchergefäß aus den Sammlungen des Österreichischen Museums für Volkskunde beweist, gibt es dabei durchaus nicht nur bereits auf den ersten Blick weihnachtlich anmutende Dinge zu sehen.
Dienstag, 29. Januar 2013
ANSICHTSSACHE NR. 9: Frühe Kunststoffe - Die Sammlung der Kulturwissenschaftlerin Eva Stille
Tasse mit Tablett aus Aminoplast
© hmf, Foto: U. Dettmar
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Das Historische Museum Frankfurt zeigt derzeit eine Ausstellung zum Thema "Frühe Kunststoffe". Es handelt sich dabei um die Sammlung der Kulturwissenschaftlerin Eva Stille, die zugleich auch Kuratorin der Ausstellung war. Aus der mehr als 600 Objekte umfassenden Sammlung, die seit 2009 den Beständen des Museums eingegliedert ist, sind in der Ausstellung 130 Exponate zu sehen.
Diese Ausstellung bildet den Auftakt zu einer Reihe von Präsentationen zu Frankfurter Sammler/inne/n. Eva Stille begann bereits ab 1960 systematisch Sammlungen zu alltagsgeschichtlichen Objekten aufzubauen. Sie spezialisierte sich auf mehrere Themenfelder: Neben frühen Kunststoffen zählen auch Spielzeug, Christbaumschmuck, Mode oder Hausarbeit zu ihren Schwerpunkten.
Vor mehr als 20 Jahren konnte ich einen Teil ihrer Sammlungen vor Ort bestaunen, als ich im Zuge der Recherchen für die Vorarlberger Landesausstellung "Kleider und Leute" (1991), an der wir beide als Kuratorinnen mitarbeiteten, einige Tage bei ihr in Frankfurt verbrachte und ihre Mode-Bestände sichtete. Es war sehr beeindruckend zu sehen, wie ihre Sammelleidenschaft aufs engste mit dem Anspruch einer wissenschaftlichen Aufarbeitung der Objekte verknüpft war. An die äußerst inspirierende Zeit in ihren Wunderkammern, an ihre Unterstützung und ihre Gastfreundschaft (die eine selbst zubereitete Frankfurter Grüne Sauce inkludierte) erinnere ich mich noch immer gerne!
Montag, 28. Januar 2013
DRUCKSACHE NR. 9: Wir sind, was wir haben
Dem seit Jahren verstärkten Interesse verschiedener Wissenschaften gegenüber den Dingen entspricht ein wachsendes Angebot an einschlägigen Publikationen. Annette Schäfer, deutsche Journalistin mit Schwerpunktsetzung in den Bereichen Psychologie und Wirtschaft, hat ein populärwissenschaftliches Buch veröffentlicht, das zweierlei bietet:
Zum einen liefert der Band einen leicht lesbaren, aber dennoch fundierten Überblick zu wichtigen psychologischen Theorieansätzen hinsichtlich der Mensch-Ding-Beziehung. Zum anderen trägt das Buch - obwohl nicht als Ratgeber intendiert - dazu bei, die Bedeutung von Dingen im Alltagsleben besser zu verstehen. Verschiedene Aspekte des Umgangs mit Dingen werden dabei anhand zahlreicher Beispiele veranschaulicht.
In den neun Kapiteln des Buches geht es u. a. um das Sammeln, um emotionale Bindungen an Dinge, um den Verlust von Dingen (zum Beispiel als Folge von Katastrophen oder Diebstahl), um das Abschiednehmen von Dingen oder um die Frage, warum Dinge (un)glücklich machen können. Fokussiert werden dabei gewöhnliche Alltagsdinge ebenso wie Erinnerungsgegenstände oder Sammelstücke. Eine ausführliche Literaturliste schließt den Band ab.
Annette Schäfer: Wir sind, was wir haben. Die tiefere Bedeutung der Dinge für unser Leben. München 2012 (Deutsche Verlags-Anstalt, 256 Seiten, 20,60,- Euro).
Auf der Website des Verlags kann in das Buch reingelesen werden.
Auf der Website des Verlags kann in das Buch reingelesen werden.
Sonntag, 27. Januar 2013
TERMINSACHE NR. 14: Krippe und Krise
Vortrag:
Birgit Johler und Magdalena Puchberger: Krippe und Krise. Dimensionen einer Volkskunst
Donnerstag, 31. Jänner 2013, 18 Uhr
Österreichisches Museum für Volkskunde
Ankündigungstext:
Der Vortrag beleuchtet bislang kaum beachtete Aspekte der von Volkskundemuseen seit jeher und mit Vorliebe gesammelten Miniaturwelten. Lange als „Volkskunst" präsentiert, erfuhr die Krippe und die ihr angelagerten Praktiken (Krippenlieder, Krippenspiele) im Verlauf der 1930er Jahre eine veränderte Aufmerksamkeit und Bedeutungsverschiebung. Schwierige ökonomische Verhältnisse, nationale und völkische Strömungen und letztlich ein neues, mit Religion verflochtenes politisches System, welches Heimat und Volkstum, Authentizität und Eigenes als Leitkategorien setzte, verhalfen der Krippe zu einer Konjunktur. Die volkskundlichen, heimatpflegerischen und volksbildnerischen Zirkel waren an dieser Entwicklung wesentlich beteiligt.
Die Krippe bildet also den Ausgangspunkt für den Versuch einer mehrstimmigen Beschreibung dieser krisenhaften Zeit. Sie eröffnet anheimelnde und moralisch anleitende Gefühls- und Sehnsuchtsräume und kann jenseits der Kategorisierung als „Volkskunst"-Objekt auch als konkrete Krisenbewältigungsstrategie gelesen werden.
Donnerstag, 24. Januar 2013
FUNDSACHE NR. 6: Wandtafel
Wer alt genug ist, hat seine Schul-, Ausbildungs- oder Universitätszeit noch mit Wandtafeln als Lehrmittel verbracht. Die hier abgebildete Paläontologische Wandtafel aus der Zeit um 1880 ist derzeit auf der Website der Universitätsbibliothek Wien als Objekt des Monats zu sehen. Genauere Erläuterungen zur Tafel finden sich ebendort. Sie stammt aus den Sammlungsbeständen des Paläontologischen Instituts und wurde gemeinsam mit rund 200 weiteren historischen Lehrtafeln im Rahmen eines Sonderprojekts digitalisiert und restauriert.
TERMINSACHE NR. 13: Anton Tantner über das Comptoir des Barometermachers
"Am 27. Februar 1771 veröffentlichte das 'Wienerische Diarium' eine einseitig bedruckte Annonce eines 'Kunst- und Realzeitungs-Comtoir' (sic!), das sich Am Hof, neben der von Josef Lorenz Edlem von Kurzböck eingerichteten Druckerei befand.So beginnt ein Anfang des Jahres erschienener Artikel von Anton Tanter im Extra der Wiener Zeitung.
Die Einrichtung - sie wurde auch als 'Comptoir der Künste, Wissenschaften und Commerzien' bezeichnet - hatte allerlei anzubieten: Modelle von Bergwerksmaschinen, geometrische Instrumente, Waagen, Luftpumpen, Uhren, Barometer konnten dort erstanden werden, genauso wie Magnete, Lampen, Ventilatoren, Kupferstiche und Druckwerke musikalischen und landwirtschaftlichen Inhalts, darunter eine 'Lebensordnung für das Rindvieh'.
Gegründet worden war dieses merkwürdige Comptoir erst wenige Monate zuvor, im Herbst 1770, und zwar von einem Mann, dessen Lebensweg Ferdinand Raimund nicht besser erfinden hätte können: Es handelt sich um Jakob Franz Bianchi, 1732 am Comosee geboren, seines Zeichens Barometermacher, herumvagierender Elektrizitätsdarsteller und klassischer Projektant; er hielt sich seit Anfang der 1760er Jahre in Wien auf und gab Kurse in Experimentalphysik, die unter anderem von Karl Graf von Zinzendorf besucht wurden."
Näheres kann dort nachgelesen oder kommenden Mittwoch live bei einem Vortrag des Autors gehört werden:
Vortrag:
Anton Tantner: Adressbüros in Wien, 1760 - 1850 oder: Das Comptoir des Barometermachers
Mittwoch, 30. Jänner 2013, 18.30 - 20.00 Uhr
Universität Wien - Institut für Geschichte, HS 45
(im Rahmen der Reihe “Geschichte am Mittwoch/Geschichte im Dialog” des Instituts für Geschichte der Universität Wien / Jour fixe des Instituts für die Erforschung der Frühen Neuzeit)
Abstract:
Adressbüros waren Stätten der Informationsvermittlung, die den Zugriff auf die in der Unübersichtlichkeit der frühneuzeitlichen Städte verborgenen Ressourcen ermöglichen sollten und vorwiegend der Verkaufs-, Arbeits-, Immobilien- und Kapitalvermittlung dienten. In Wien wurde erstmals 1707 eine solche Einrichtung - das Frag- und Kundschaftsamt - gegründet; in Konkurrenz zu ihm wurden ab den 1760er Jahren Pläne für vergleichbare Einrichtungen ventiliert und manchmal auch realisiert. Im Zentrum des Vortrags soll vor allem der umtriebige Projektemacher Jakob Bianchi stehen, der 1770 das in Verbindung mit der Realzeitung stehende Comptoir der Künste, Wissenschaften und Commerzien initiierte.
Zur Person:
Anton Tantner ist Privatdozent für Neuere Geschichte an der Universität Wien, seine Habilitationsschrift beschäftigt sich mit Adressbüros im Europa der Frühen Neuzeit. Im WS 2012/13 ist er Research Fellow am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK). Mitglied der Redaktion der Frühneuzeit-Info und des Weblogportals de.hypotheses.org. Weblog: http://adresscomptoir.twoday.net; Twitter: @adresscomptoir; Homepage mit umfassendem Publikationsverzeichnis und "Galerie der Hausnummern": http://tantner.net
Mittwoch, 23. Januar 2013
FOTOSACHE NR. 6: Das Greterl
© Archiv Susanne Breuss
|
Dieses Foto wurde im Jahr 1926 aufgenommen, das kleine Mädchen heißt Greterl und war das einzige Kind einer bürgerlichen Wiener Familie. Eingeklebt ist die Aufnahme in ein mit gemustertem Kleisterpapier bezogenes Fotoalbum aus der Produktion des Papierwarenherstellers Lammer auf der Wiener Seilerstätte.
Dieses Album habe ich zusammen mit mehreren weiteren Fotoalben dieser Familie vor vielen Jahren im Altwarenhandel erstanden. Das Konvolut umfasst den Zeitraum vom frühen 20. Jahrhundert bis etwa um 1960 und enthält großteils die typischen Familienfotos: Ausflüge, Sommerfrische, Reisen, Feiertage, besondere Ereignisse, aber auch Aufnahmen der Wohnräume und der Kinderspielsachen. In der offensichtlich nicht unvermögenden Familie (Greterls Vater war Autohändler) wurde für die damalige Zeit relativ viel fotografiert. Allerdings ohne besondere technische oder ästhetische Ansprüche, denn die Alben beherbergen hauptsächlich das, was gemeinhin als "Knipserfotografie" bezeichnet wird.
Auch wenn sonstige Quellen zu diesem Bestand bzw. dieser Familie fehlen, und zudem nicht bekannt ist, ob dieses Konvolut die gesamte Fotoproduktion dieser Familie enthält, geben die Alben einen recht guten Einblick in das - bildlich dokumentierte - Leben einer bürgerlichen Familie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Neben den speziellen Eigenheiten von Greterls Familie - so spielen aufgrund der Profession des Vaters Autoausfahrten eine wichtige Rolle - repräsentieren diese historischen Aufnahmen den Lebensstil einer gut situierten sozialen Schicht und gewähren Einblick in deren materielle Kultur.
Das Greterl wird hier immer wieder zu Gast sein - so wie es schon des öfteren in meinen Fotoglossen im Extra der Wiener Zeitung zu sehen war. Das nächste mal tritt es als Biedermeiermäderl verkleidet auf dem Eisfest des Wiener Eislaufvereins auf.
Montag, 21. Januar 2013
HÖRSACHE NR. 10: Volksgasmaske
© Technisches Museum Wien |
Heute begab sich die Sendung in das Jahr 1944 und beschäftigte sich mit der "Volksgasmaske" (Interview mit Peter Payer). Begonnen wurde mit ihrer Produktion bereits 1937, bis Ende des Zweiten Weltkrieges wurden 45 Millionen Stück verteilt. Die Gasmaske, die es für Männer, Frauen und Kinder gab, und die man stets bei sich führen sollte, erwies sich allerdings als gigantische Fehlinvestition, denn das aus den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs gespeiste Schreckensszenario eines Giftgasangriffs blieb der Bevölkerung erspart.
Links:
Website "Zum Greifen nah"
Zum Nachhören
Peter Payer auf der Website des Technischen Museums Wien
Sonntag, 20. Januar 2013
FUNDSACHE NR. 5: Personifizierter Winter
© Christian Opitz |
Passend zur Jahreszeit eine Fundsache, die dem Blog Baudenkmäler in Österreich des Wiener Kunsthistorikers Christian Opitz entstammt: Der personifizierte Winter, warm verpackt mit Mütze und Mantel, und sich kokett über einem Kohlebecken den Unterleib wärmend. Zu finden ist die vermutlich aus dem späten Mittelalter stammende Figur in der Wiener Innenstadt, in einer Nische am Haus Tuchlauben 20 (näheres dazu von Christian Opitz).
Samstag, 19. Januar 2013
TERMINSACHE NR. 12: A Tribute to Otto Neurath
Aus: Gesellschaft und Wirtschaft.
Bildstatistisches Elementarwerk
des Gesellschafts- und Wirtschafts-
museums in Wien, 1930
|
Die von dem Wiener Philosophen, Politiker, Ökonomen, Pädagogen und Begründer des Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseums Otto Neurath in den 1920er Jahren entwickelte "Wiener Methode der Bildstatistik" (Stichworte: Mengenbilder und Kartogramme) hatte und hat enormen Einfluss auf das Alltagsleben - so wäre etwa ohne die aus ihr entwickelte internationale Zeichen- und Symbolsprache die heutige Praxis des globalisierten Lebens schwer vorstellbar.
Ein Symposium im Rahmen der Ausstellung ZEIT(LOSE) ZEICHEN beschäftigt sich mit diesem Pionier der modernen visuellen Kommunikation:
A Tribute to Otto Neurath
Interdisziplinäres Symposium im Künstlerhaus, Wien
Donnerstag 24. Jänner 2013 im Künstlerhaus
Freitag 25. Jänner 2013 im Künstlerhaus
Samstag 26. Jänner 2013 IVC-Workshop an der Universität Wien
Veranstalter: Künstlerhaus und Institut Wiener Kreis (IVC)
Programm
Zu sehen sein werden auch einige Filme, darunter jener Trickfilm von Otto Neurath und Paul Rotha aus dem Jahr 1941, der die britische Bevölkerung zum sparsamen Umgang mit Ressourcen und Müll animieren sollte, um kriegsbedingte Materialverluste ausgleichen zu können.
Interdisziplinäres Symposium im Künstlerhaus, Wien
Donnerstag 24. Jänner 2013 im Künstlerhaus
Freitag 25. Jänner 2013 im Künstlerhaus
Samstag 26. Jänner 2013 IVC-Workshop an der Universität Wien
Veranstalter: Künstlerhaus und Institut Wiener Kreis (IVC)
Programm
Zu sehen sein werden auch einige Filme, darunter jener Trickfilm von Otto Neurath und Paul Rotha aus dem Jahr 1941, der die britische Bevölkerung zum sparsamen Umgang mit Ressourcen und Müll animieren sollte, um kriegsbedingte Materialverluste ausgleichen zu können.
TERMINSACHE NR. 11: Lesung Wolfgang Popp
Wolfgang Popp, Gestalter der Ö1-Radioserie "Zum Greifen nah. Gegenstände erzählen Geschichte", über die hier laufend berichtet wird, hat ein neues Buch veröffentlicht, den Roman "Ich müsste lügen" (Folio Verlag).
Darin geht es um eine Komissarin, der im Zuge von Ermittlungen rund um einen Vermissten der vermeintlich sichere Boden des Alltagslebens unter den Füßen weggezogen wird - Realitätsebenen kippen ineinander und Identitäten werden in Frage gestellt.
Lesung:
Wolfgang Popp: „Ich müsste lügen“
Moderation: Robert Buchschwenter (Okto) Dienstag, 22. Jänner 2013, 19 Uhr
Wien, Phil, Gumpendorfer Straße 10-12
Freitag, 18. Januar 2013
FUNDSACHE NR. 4: Fliegenpilz bringt Glück
© Werkbundarchiv - Museum der Dinge |
Passend zu den Fotos von Trude Lukacsek noch ein Fliegenpilz: Gemeinsam mit einem Gartenzwerg wünscht er als Ding des Monats aus dem Berliner Museum der Dinge viel Glück für 2013!
Donnerstag, 17. Januar 2013
FOTOSACHE NR. 5: Neujahrswünsche von Trude Lukacsek: Fliegenpilz, Hufeisen und Neujahrskonzert
© Trude Lukacsek: Hufeisen (Steyr, 2010) |
© Trude Lukacsek: Fliegenpilz (Gams, 2010) |
© Trude Lukacsek: Neujahrskonzert (Lilienfeld, 2012) |
Das geht auch Mitte Jänner noch: Fotografierte Neujahrswünsche von Trude Lukacsek - thematisch passende Motive hat sie in verschiedenen österreichischen Ortschaften gefunden.
Links:
Susanne
Breuss: Die Faszination der Schaufenster. Die Wiener Fotografin Trude Lukacsek
hat ein Faible für Auslagen und Alltagsgegenstände. In: Wiener Zeitung Extra,
12.11.2010.
Text auf Wiener Zeitung Online hier
Text auf Wiener Zeitung Online hier
Mittwoch, 16. Januar 2013
TERMINSACHE NR. 10: Widerspenstige Objekte
Hut aus geflochtenem Wurzelwerk Anfang 20. Jahrhundert © Österreichisches Museum für Volkskunde |
Dieser rustikal-elegante Hut aus geflochtenem Wurzelwerk ist derzeit in der Ausstellung "Mikrofotografisches Bibelstechen. Eine Ausstellung als Einblick und Kommentar" im Österreichischen Museum für Volkskunde in Wien zu sehen (noch bis 17. Februar 2013).
Im Rahmenprogramm der Ausstellung gibt es folgende Veranstaltung:
Über die Widerspenstigkeit von Objekten – und wie man die Dinge zähmen kann. Ein Gespräch.
Karin Haas, Projektmanagement, Ausstellungsproduktion und -technik
23. Jänner 2013, 19.00 Uhr
Österreichisches Museum für Volkskunde, 1080 Wien, Laudongasse 15-19
(Bitte um Voranmeldung unter office@volkskundemuseum.at oder 01 406 89 05/15 bzw. 22)
Link:
Österreichisches Museum für Volkskunde - Ausstellungswebsite
Dienstag, 15. Januar 2013
SACHVERHALT NR. 2: Gelb als Narrenfarbe und Ausgrenzungsmerkmal
Ausschnitt aus dem Siebenhirter Tafelbild
(um 1500): Der Narr ist in die traditionelle
Narrenfarbe Gelb gekleidet.
© Kärntner Landesmuseum
|
Im Fasching haben die Narren auch heute noch Hochsaison. Vor
allem bei traditionellen Narrenkostümen wird einem dabei immer wieder die Farbe
Gelb unterkommen – sie zählt seit Jahrhunderten zu den gebräuchlichsten „Narrenfarben“.
Die Verwendung von Gelb im Zusammenhang mit der vestimentären Kennzeichnung und Ausgrenzung „missliebiger“ oder von der Norm abweichender Bevölkerungsgruppen hat eine lange Tradition aufzuweisen. Die „Judensterne“ der Nationalsozialisten (siehe dazu das Objekt dieser Woche in der Radioserie "Zum Greifen nah") standen am Ende einer Reihe von einschlägigen Vorschriften: Im Mittelalter mussten Juden gelbe Hüte, gelbe Kreise oder Ringe aus Stoff an ihrer Kleidung tragen.
Die Verwendung von Gelb im Zusammenhang mit der vestimentären Kennzeichnung und Ausgrenzung „missliebiger“ oder von der Norm abweichender Bevölkerungsgruppen hat eine lange Tradition aufzuweisen. Die „Judensterne“ der Nationalsozialisten (siehe dazu das Objekt dieser Woche in der Radioserie "Zum Greifen nah") standen am Ende einer Reihe von einschlägigen Vorschriften: Im Mittelalter mussten Juden gelbe Hüte, gelbe Kreise oder Ringe aus Stoff an ihrer Kleidung tragen.
Doch auch andere Bevölkerungsgruppen waren immer wieder von derartigen Zwangsmaßnahmen betroffen. So schrieb eine Wiener Kleiderordnung des 15. Jahrhunderts unter der Überschrift „Ordnung der Dirnen“ vor: „Von der gemeinen Weiber wegen ist abgeredet worden, dass jede ein offenbares Zeichen von einem gelben Tüchlein an der Achsel tragen soll, einer Handbreit, und einer Spann lang.“ Auch als Narren, Hexen oder Ketzer klassifizierte Personen hatten nach den Vorschriften von mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kleiderordnungen häufig gelbe Kleidungsstücke oder gelbe Kennzeichen zu tragen, ebenso Bettler, Scharfrichtersgattinnen oder Schuldner. Teilweise wurden für solche Zwecke auch andere Farben verwendet, doch nur Gelb besaß eine durchgängig negative Zuschreibung. Erst ab dem 16. Jahrhundert begann sich der Charakter von Gelb als „Schandfarbe“ allmählich aufzulösen – wobei entsprechende Kennzeichnungspflichten für Juden vielerorts noch länger bestanden.
Gelb war im okzidentalen Kulturkreis lange Zeit jene Farbe, mit der man vorwiegend Negatives assoziierte: Neid, Geiz, Verlogenheit, Eifersucht, Untreue, Schuld, Egoismus und Giftigkeit. Ausschlaggebend für ihren Einsatz als diskriminierendes Abzeichen war aber auch ihre Signalwirkung. Jacob und Wilhelm Grimm betonten im „Deutschen Wörterbuch“, dass es sich um die auffallendste und lauteste Farbe handle, die gleichsam die Blicke herbeirufe.
Text:
Susanne Breuss: "Die Farbe ist die Seele jeder Toilette". Symbolik, Ästhetik und modischer Wandel der Kleiderfarben. In: Amt der Vorarlberger Landesregierung (Hrsg.): Kleider und Leute. Katalog zur Vorarlberger Landesausstellung 1991. Bregenz 1991. S. 90-113.
Susanne Breuss: "Die Farbe ist die Seele jeder Toilette". Symbolik, Ästhetik und modischer Wandel der Kleiderfarben. In: Amt der Vorarlberger Landesregierung (Hrsg.): Kleider und Leute. Katalog zur Vorarlberger Landesausstellung 1991. Bregenz 1991. S. 90-113.
Montag, 14. Januar 2013
HÖRSACHE NR. 9: Judenstern
© Wien Museum
|
Seit September 2012 sendet Ö1 im Rahmen von Leporello die von Wolfgang Popp in Zusammenarbeit mit
dem Wien Museum und dem Technischen Museum Wien gestaltete Jahres-Serie
„Zum Greifen nah. Gegenstände erzählen Geschichte“, in der ausgewählte Alltagsdinge
aus den Sammlungen der beiden Museen porträtiert werden.
Heute begab sich die Sendung in das Jahr 1941 und beschäftigte
sich mit dem von den Nationalsozialisten eingeführten „Judenstern“, der zur
Zwangskennzeichnung der jüdischen Bevölkerung diente (Interview
mit Gerhard Milchram). Er war Bestandteil des Alltags nicht nur der Juden, die ihn gut sichtbar tragen mußten (und dafür auch noch eine Gebühr zu entrichten hatten), sondern auch der restlichen Bevölkerung, der er als Orientierungs- und Ausgrenzungshilfe diente.
Links:
Samstag, 12. Januar 2013
DRUCKSACHE NR. 8: Begegnungen mit Dingen im Supermarkt
Nachdem die Zeit der vorweihnachtlichen Konsumräusche vorbei ist, kann man sich wieder mehr dem gewöhnlichen Konsumalltag - zum Beispiel jenem im Supermarkt - widmen. Als literarische Begleitung mit ethnographischem Mehrwert empfiehlt sich:
David Wagner:
Vier Äpfel. Roman. Reinbek bei Hamburg 2009 (Rowohlt Verlag, 159 Seiten, 17,99
Euro).
„Vier Äpfel“ – ein
Buchtitel, der so seltsam klingt, wie er neugierig macht. Der Klappentext
verrät: David Wagner, Jahrgang 1971, schreibt über das Einkaufen. Die Handlung:
ein einziger Supermarktbesuch des männlichen Ich-Erzählers. Wem das für einen
ganzen Roman etwas dürftig vorkommt, der rechnet nicht mit Wagners Beobachtungs- und
Assoziationslust.
Die auf dem Umschlag zitierte Charakterisierung des deutschen Autors als „The Proust-inspired West German stylist“ erscheint einem zunächst gewagt. Doch nach und nach verdichtet sich die anfänglich etwas „jugendlich“ bemüht wirkende Erzählweise zu einer ethnographisch anmutenden Studie über das Einkaufen und Essen in Zeiten von Globalisierung, Normierung und scheinbar endlosen Wahlmöglichkeiten, über die Bedeutung von Konsum und Konsumgütern für die Identität des postmodernen Menschen. Und tatsächlich finden sich Anklänge an Proust, denn die Erkenntnis, dass Dinge ebenso wie Geruchs- und Geschmacksempfindungen Erinnerungen auszulösen und zu transportieren imstande sind, ist auch bei Wagner ein wichtiges Thema.
Die auf dem Umschlag zitierte Charakterisierung des deutschen Autors als „The Proust-inspired West German stylist“ erscheint einem zunächst gewagt. Doch nach und nach verdichtet sich die anfänglich etwas „jugendlich“ bemüht wirkende Erzählweise zu einer ethnographisch anmutenden Studie über das Einkaufen und Essen in Zeiten von Globalisierung, Normierung und scheinbar endlosen Wahlmöglichkeiten, über die Bedeutung von Konsum und Konsumgütern für die Identität des postmodernen Menschen. Und tatsächlich finden sich Anklänge an Proust, denn die Erkenntnis, dass Dinge ebenso wie Geruchs- und Geschmacksempfindungen Erinnerungen auszulösen und zu transportieren imstande sind, ist auch bei Wagner ein wichtiges Thema.
Der Autor schickt seinen
Helden zu einer Art Feldstudie in den Supermarkt. Den Einkaufswagen vor sich
her schiebend beschreibt dieser alles, was er sieht und macht. Und zwar ohne
Wertung, alles ist ihm gleich wichtig, egal, ob es sich um Waren,
Geschäftsausstattung, Verkäuferinnen, Kunden oder Kommunikationsformen handelt.
Schnell erklärt sich der rätselhafte Titel: Vier Äpfel ergeben auf der Waage in
der Obst- und Gemüseabteilung exakt 1.000 Gramm. Ob das wohl Zufall ist, fragt
sich der Einkäufer, und mutmaßt sogleich, dass es sich um eine abpackgerechte
Züchtung handeln muss. Mit Überlegungen dieser Art geht es weiter. Praktisch
alles, was es an automatisierten und ritualisierten Alltagshandlungen im
Supermarkt so gibt, wird reflektiert.
Dabei lässt sich der
Einkäufer weniger von seiner Einkaufsliste leiten, als von dem, was ihm gerade
ins Auge, ins Ohr oder in die Nase dringt. Häufig erinnern ihn Produkte und
Gerüche an „früher“. Zum Beispiel an L., seine Ex-Frau, oder an das kindliche
Warenwissen, erworben im Werbefernsehen. In diesen Passagen ähnelt der
Einkäufer ein wenig den Akteuren der „Wickie-Slime-und-Paiper“-Retrowelle vor
einigen Jahren. Allerdings bewegt er sich nie nur im Feld des
wohlig-nostalgischen Erinnerns, dafür ist sein Zugang letztlich zu analytisch.
Unterstrichen wird dies durch einen pseudo-wissenschaftlichen
Anmerkungsapparat, der weiterführende Hinweise historischer wie persönlicher
Natur enthält.
Wagners Einkäufer mag mit
seinen Überlegungen und seinem Staunen manchmal etwas naiv und kindlich, ja
verloren in der Welt des Supermarktes wirken, der Autor ist es gewiss nicht.
Die in seinem Roman verhandelten Fragen und Probleme lassen auf eine
Beschäftigung mit aktuellen theoretischen Ansätzen zur Bedeutung des
Konsumierens für postmoderne Identitätskonstruktionen schließen. Das kommt
jedoch nicht aufgesetzt und gelehrt daher, sondern als Merkmal der
selbstreflexiven Konsumpraxis des Ich-Erzählers.
Trotz aller Anklänge an die
Figur des Flaneurs des 19. Jahrhunderts, jenes Jahrhunderts, das mit Warenhaus
und Passagen die ersten Manifestationen der modernen Konsumgesellschaft
hervorgebracht hat, ist Wagners Supermarkteinkäufer ganz in der Gegenwart
verankert. Trotz oder wegen der schier endlosen Warenfülle wähnt er sich nur
auf den ersten Blick im Paradies. Vergiftet wird es ihm nicht nur durch das
verdächtige Gewicht der Äpfel. Sein Hang zum Hinterfragen weist ihn als ein
fragmentiertes Subjekt aus, dem die Selbstverständlichkeit und „Unschuld“ der
alltäglichen Handlungen abhanden gekommen ist. Einfach einkaufen gehen, Dinge
besorgen, die man gerade braucht – das ist für ihn keine Option mehr. Ständig
schieben sich Gedanken über die ökologischen, ökonomischen und sozialen
Auswirkungen seines Tuns dazwischen. So erscheinen die Erinnerungen an die
Kindheit und die entschwundene Liebe wie Beschwörungen besserer,
unkomplizierter Zeiten, da es Mütter, Großmütter und Ehefrauen gab, die genau
wussten, was man braucht, und wie und wo man es besorgt.
Dieser Text erschien in
einer stark gekürzten Version erstmals als:
Susanne Breuss: Supermarkt-Studie. David Wagners Roman „Vier Äpfel“. In: Wiener
Zeitung Extra, 23./24. Oktober 2010, S. 9.
Donnerstag, 10. Januar 2013
TERMINSACHE NR. 9: Die Sau im Kuchelbüchel
Dass es bei Ehescheidungen nicht unbedingt nobel zugeht, ist bekannt, und davon zeugen unter anderem Medienberichte und Gerichtsakten.
Ein an der Universität Wien am Institut für Geschichte angesiedeltes und vom FWF – Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung finanziertes Forschungsprojekt zum Thema „Ehen vor Gericht. Konfliktfelder und Handlungsoptionen vom 16. bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts“ untersucht solche Scheidungsverfahren und ermöglicht dadurch Einblicke in historische Beziehungs- und Trennungsszenarien. Alltagsgegenstände können dabei durchaus in den Mittelpunkt von Auseinandersetzungen rücken, wie folgender Fall zeigt:
In den allermeisten vor dem Magistrat der Stadt Wien durchgeführten Trennungsverfahren dienten amtliche Dokumente oder mündliche Aussagen von ZeugInnen als Beweise, die einen Scheidungsgrund untermauern sollten. Cäcilia Swoboda brachte 1816 – nach nur dreijähriger Ehe – in ihrer Scheidungsklage allerdings ein “Kuchelbüchel” von Oktober 1814 als Beweisstück ein. Sie warf ihrem Ehemann vor, dass er “in [das] kuchelbüchel, wenn irgendeine ausgabe für sie vorkam, für die sau, anstatt frau hinein[geschrieben]” habe. Ihr Ehemann Franz Mathias Swoboda widersprach dem Vorwurf nicht und äußerte sich in der Beantwortung der Klage folgendermaßen: Dieß aber sey wahr, daß er in sein eigenes kuchenbüchel statt für die frau, für die sau geschrieben habe. Allein dieß sey deßwegen geschehen, weil die betrefende ausgabe auf brandwein gemacht worden ist, daher habe er statt für die frau, „für die sau“ eingeschrieben. Der Wiener Stadtmagistrat gab der Scheidungsklage von Cäcilia Swoboda statt. Neben anderen rechtmäßigen Scheidungsgründen galt in den Augen des Magistrats die “Kränkung” der Ehefrau als bewiesen. Der Magistrat argumentierte damit konform zu den Bestimmungen des ABGB von 1811. Paragraf 109 des ABGB hielt “nach dem Verhältnisse der Person, sehr empfindliche, wiederhohlte Kränkungen” als einen rechtmäßigen Scheidungsgrund fest. (Quelle: Website des Projekts)
Das Projektteam stellt kommende Woche die bisherigen Forschungsergebnisse vor:
Vortrag:
Andrea Griesebner, Georg Tschannett und Susanne Hehenberger: Ehen vor Gericht. Konfliktfelder und Handlungsoptionen vom 16. bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts
Mittwoch, 16. Jänner 2013, 18.30 - 20.00 Uhr
Universität Wien - Institut für Geschichte, HS 45
(im Rahmen der Reihe “Geschichte am Mittwoch/Geschichte im Dialog” des Instituts für Geschichte der Universität Wien / Jour fixe des Instituts für die Erforschung der Frühen Neuzeit)
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Mittwoch, 9. Januar 2013
RECHERCHESACHE NR. 1: Freud's Fleischhauer
© Edie Jarolim
Berggasse 19 im 9. Wiener Gemeindebezirk - eine Adresse, die weltweit bekannt ist, war sie doch Wohn- und Arbeitsort von Sigmund Freud. Im selben Haus wie der berühmte Begründer der Psychoanalyse hatte ein weiterer Mann mit diesem Vornamen seinen Arbeitsplatz, nämlich Siegmund Kornmehl, der dort bis 1938 eine Fleischhauerei betrieb, so wie einige seiner Brüder und eine Reihe weiterer Verwandter an anderen Orten in der Stadt auch. Siegmund Kornmehls koscheres Fleisch wurde auch am Tisch der Familie Freud verspeist.
Bezug nehmend auf diesen Fleischhauer in der Berggasse 19 heißt ein Blog der amerikanischen Journalistin und Autorin Edie Jarolim "Freud's Butcher". Edie Jarolim ist die Großnichte von Siegmund Kornmehl und sie versucht nicht nur ihre jüdische Wiener Familiengeschichte zu erforschen, sondern sie möchte auch Einblicke in das zeittypische Alltagsleben ihrer Vorfahren - rund um Fleisch, koschere und nicht-koschere Fleischhauereien und das Café Victoria am Schottentor (ebenfalls von einem Kornmehl betrieben) - gewinnen. Die Ergebnisse ihrer bisherigen Recherchen finden sich auf ihrem Blog, geplant ist auch eine Buchpublikation. Sie freut sich über alle weiter führenden Hinweise und Informationen!
Links:
Freud's Butcher (Blog von Edie Jarolim)
Freud Museum (Kornmehl-Geschäft als Ausstellungsort)
Rudolf Kornmehls nicht-koschere Fleischhauerei |
Siegmund Kornmehls koschere Fleischhauerei |
© Edie Jarolim
Dienstag, 8. Januar 2013
ABC-SACHE NR. 1: A wie Auto
Abb. aus dem Buch |
"Ich - hinten im Auto": Diesen schönen Titel hat ein Buch für Kinder und Jugendliche, das der Autor und Professor für Kunsterziehung Thomas Zacharias im Jahr 1974 im Otto Maier Verlag Ravensburg publizierte. Gefunden habe ich es kürzlich hinter einem Berg von Arbeitsunterlagen, wo es nun schon einige Jahre herum lag, nachdem es mir von einer Kollegin vermacht wurde, die es zu schade zum Wegwerfen fand - womit sie natürlich Recht hatte (Dank an MTH).
"Ich - hinten im Auto": Das richtete sich an die vielen Kinder, die Jahr für Jahr auf der Rückbank des Familienwagens durch die Gegend gefahren wurden, 52 Wochenenden und einen Urlaub lang, also insgesamt rund 120 Stunden, wie der Autor vorrechnete, und die sich dort oft sagenhaft langweilten. Thomas Zacharias schrieb und gestaltete für diese Automobilistenkinder ein Buch, das ihnen die Fahrten interessanter und vergnüglicher machen sollte.
Für uns heute ist dieses Buch vor allem eine Reise in die Frühzeit der Massenmobilisierung mittels eigenem PKW und es läßt sich mit ihm eine historische Phase erinnern, in der das Autofahren noch nicht ganz so selbstverständlich war, aber auch nicht mehr so aufregend neu, dass bereits das pure Fahren ein Abenteuer gewesen wäre. Ein guter Zeitpunkt also, um die sich einschleichende Normalität und Alltäglichkeit des Autofahrens noch als solche erkennen und reflektieren zu können. So schlägt Zacharias den Kindern Spiele vor, die Verschiebungen in der Wahrnehmung zum Thema haben: Wie und was sieht man im Auto hinten und aus dem Auto hinten hinaus? Zum Beispiel immer nur die Hinterköpfe der Eltern, wodurch die Aufmerksamkeit weg vom Gesicht auf die Haare gelenkt wird.
Auch zur Geschichte der materiellen Kultur hat das Buch einiges zu bieten - siehe zum Beispiel die fotografische Vergleichsstudie auf der Abbildung oben, mit der die Verwandtschaft zwischen der Wohnzimmermöblierung daheim und der Möblierung des fahrenden Wohnzimmers deutlich wird. Oder die ausführliche Schilderung von diesem Ding-Kosmos, der sich in den Rückbankritzen finden läßt:
"Kleine Sachen verschwinden in der Ritze zwischen Sitzbank und Rückenlehne. Sie kommen erst zum Vorschein, wenn man danach gräbt wie Ausgräber nach alten Scherben. Zum Beispiel: ein Schlüssel, ein Zündholz, ein Tempotaschentuch, eine Schraubenmutter, ein Knopf, Ritzenschmutz, eine Sicherheitsnadel, ein Pfennig, ein Kaugummi, Silberpapierkugeln [...].Ich selbst habe mir als Kind die Zeit hinten im Auto übrigens damit vertrieben, die Ortskürzel auf den Nummerntafeln und die Länderkennzeichen zu enträtseln, während einer meiner Brüder Statistiken über das Kuhaufkommen links und rechts von der Straße erstellt hat.
Ich stelle mir eine zukünftige Zeit vor, in der von unserer Zeit alles verschwunden ist, bis auf die Gegenstände aus der VW-Ritze. So wie von vergangenen Zeiten alles verschwunden ist, bis auf ein paar Scherben, Pfeilspitzen und Knochenreste. Also keine Autos, Straßen, Städte, Kugelschreiber, Tennisschläger, Ölgemälde, Ölraffinerien, Ölkrisen, Ölsardinen, Düsenflugzeuge, Blumenvasen, Brücken, Zahnbürsten [...].
Kurz: nichts, nichts, nichts, außer diesen Sachen aus der Ritze.
Ich stelle mir ein Museum vor: Jeder Gegenstand aus der Ritze ausgestellt in einer Vitrine in einer riesigen Halle mit Kuppel und Säulen.
Man redet von der 'Pfennigzeit' oder der 'Kaugummizeit' oder der 'Tempotaschentuchzeit' oder einfach von der 'Zeit aus der Ritze', weil man ja nicht weiß, wozu die einzelnen Gegenstände gut gewesen sein sollen, und man streitet, ob sie einzeln mit der Hand oder in Serien mit Maschinen gemacht wurden, und ob es kostbare Dinge waren: nur für wenige oder für alle [...].
Ich stelle mir vor, daß das alles nicht sein kann, nicht nur, weil es dann sicher auch kein Museum und keine Museumsführungen und keine Leute mit Gedanken und Erinnerungen gäbe, sondern weil schon jetzt so viel da ist, daß eher zuviel als zu wenig übrig bleibt. Wenn ich mir das alles vorstelle und ausmale, reicht es bei der Urlaubsfahrt mindestens bis nach Oberitalien." (S.30-35)
Abb. aus dem Buch |
Montag, 7. Januar 2013
HÖRSACHE NR. 8: Reichsautobahnen-Quartett
© Technisches Museum Wien |
Seit September 2012 sendet Ö1 im Rahmen von Leporello die von Wolfgang Popp in Zusammenarbeit mit
dem Wien Museum und dem Technischen Museum Wien gestaltete Jahres-Serie
„Zum Greifen nah. Gegenstände erzählen Geschichte“, in der ausgewählte Alltagsdinge
aus den Sammlungen der beiden Museen porträtiert werden.
Heute begab sich die Sendung in das Jahr 1941 und beschäftigte sich mit einem Quartett-Kartenspiel, das eines der großen Bauprojekte der Nationalsozialisten, die Reichsautobahn, zum Thema hat (Interview mit Anne-Katrin Ebert).
Links:
Heute begab sich die Sendung in das Jahr 1941 und beschäftigte sich mit einem Quartett-Kartenspiel, das eines der großen Bauprojekte der Nationalsozialisten, die Reichsautobahn, zum Thema hat (Interview mit Anne-Katrin Ebert).
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Freitag, 4. Januar 2013
ANSICHTSSACHE NR. 8: Christbaum wird Quirl
Weihnachten ist vorüber und für manche stellt sich nun vielleicht die Frage, was man mit dem Christbaum eigentlich machen könnte, außer ihn zu entsorgen oder zu verheizen.
Nora Witzmann, eine der drei Kuratorinnen der Ausstellung „Weihnachten – noch Fragen?“ (zu sehen bis 3. Februar 2013 im Österreichischen Museum für Volkskunde) hat zu dieser Frage das passende Objekt in der Ausstellung gefunden und schildert für diesen Blog die Geschichte der Astquirle bzw. Sprudler:
„Ein eher unscheinbares Alltagsgerät stellen die Sprudler aus den Astquirlen junger Tannen und Fichten dar. Bereits für die Bronzezeit durch Funde belegt, wurden diese später in vielen Gegenden gerne aus den Christbaumwipfeln gefertigt, welche sich durch ihre Größe gut für die Herstellung eignen. Vielfach entstanden sie jedoch aus dem Stangenholz, das beim Durchforsten der Jungwälder anfiel. Häufig als Milch- und Suppensprudler verwendet, fanden etwa die aus den unteren Astquirlen in größerer Ausführung gearbeiteten Stücke Verwendung bei der Bereitung des Schweinefutters.
Geschnitzt – verwendet – verheizt. In Zeiten des Geschirrspülers finden derartige Geräte aus Holz indessen kaum noch Verwendung. Doch ganz in Vergessenheit sind die Sprudler oder Quirle nicht geraten und wurden sogar als neue Geschäftsidee aufgegriffen. Ulla Klopf, Grazer Graphikerin und Designerin, hat dem Quirl 2008 im Rahmen eines Kreativwettbewerbs wieder Leben eingehaucht und salonfähig gemacht.“
Texte:
Nora Witzmann: Als der Quirl noch ein Christbaum war. In: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde, Bd. LXV/114, Wien 2011/4, S. 479-484.
siehe auch hier
Nora Witzmann/Dagmar Butterweck/Kathrin Pallestrang: Weihnachten - noch Fragen? (= Kataloge des Österreichischen Museums für Volkskunde, Band 97). Wien 2012 (Österreichisches Museum für Volkskunde, 63 Seiten, 19 Euro).
Links:
Ausstellung "Weihnachten - noch Fragen?"
Nora Witzmann auf der Website des Österreichischen Museums für Volkskunde
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