Das neue Jahr beginnt (wohl typisch für historisch arbeitende Menschen...) mit einem Rückblick auf das alte!
Am 10. Dezember 2012 rief Nina Gorgus auf dem Blog des
Historischen Museums Frankfurt zur „Blogparade“ auf - mit dem Ziel, die spannendsten Ausstellungen des Jahres 2012 zu ermitteln (Aufruf).
Hier mein Beitrag dazu:
Ein Highlight des Jahres 2012 war für mich eine Ausstellung,
in die ich zunächst eher zufällig und unfreiwillig hineingeraten bin, die mich
dafür aber umso schneller das Staunen lehrte. Nämlich darüber, wie interessant kunsthistorische
Ausstellungen über die präsentierten Kunstwerke hinaus sein können, wenn man
sich nicht damit begnügt, „einfach nur“ Bilder zu zeigen. Die Ausstellung, die
ich hier rühmen möchte, bot für mich völlig unerwartet sehr spannende und
aufschlussreiche Einblicke in ein Themenfeld, das mich speziell interessiert:
Historisches Alltagsleben.
Ein Ausflug brachte mich vergangenes Jahr in das
niederösterreichische Altenburg – auf dem Programm standen ein Spaziergang und
eine Stiftsbesichtigung. Es war ein Zufall, dass im Stift gerade eine
Ausstellung mit dem Titel „Troger: blau ist keine Kunst“ zu besichtigen war,
und meine Lust, mich so ausführlich mit Barockmalerei zu beschäftigen, hielt
sich an diesem Nachmittag eigentlich eher in Grenzen. Umso größer war dann die
Überraschung, als sich herausstellte, dass es sich dabei um eine vom Konzept
her sehr ambitionierte Ausstellung handelte, die auf eine keineswegs übliche
Weise Kunst und historischen Kontext miteinander in Bezug setzte und dabei
verschiedenen Aspekten des Alltagslebens breiten Raum gewährte.
Am 20. Juli 2012 jährte sich der Todestag des Malers Paul
Troger zum 250. mal – ein Anlass für das Benediktinerkloster Stift Altenburg,
Werk und Leben des Barockmalers mit einer Ausstellung zu würdigen (Laufzeit: 1.
Mai bis 28. Oktober 2012). Der Ausstellungsort lag insofern nahe, als der aus
dem Südtiroler Pustertal gebürtige Maler im Stift Altenburg zehn Fresken und
zahlreiche Ölbilder, darunter das Hochaltarbild der Stiftskirche geschaffen
hat.
Kuratiert wurde die Ausstellung von Andreas Gamerith. Der 1980
in Niederösterreich geborene Kunsthistoriker ist nicht nur aufgrund seiner Forschungsschwerpunkte
ein Troger-Kenner, sondern auch infolge seiner Biografie,
konnte er sich doch bereits als Kind und als Sängerknabe im Stift Altenburg mit
den Bildern des berühmten Malers ebenso vertraut machen wie mit der klösterlichen
Kultur. Dieses langjährige und intensive Eintauchen in die Welt des 18.
Jahrhunderts war der Ausstellung anzumerken. Der Kurator verstand es dabei vortrefflich, seine Begeisterung und sein Wissen auch einem Nicht-Fachpublikum zu vermitteln - keine Spur von abgehobener Expertentümelei und keine Spur von oberflächlicher Volkstümelei!
Die Ausstellung machte nicht nur Leben und Werk Paul Trogers
lebendig und nachvollziehbar, sondern bot auch höchst interessante Einblicke in
den Alltag eines Malers zur damaligen Zeit (so wurden etwa Maltechniken und
Farben – natürlich ging es auch um das im Ausstellungstitel genannte Blau – ebenso
thematisiert wie wirtschaftliche Aspekte).
Außerdem wurden immer wieder größere sozial- und
alltagshistorische Zusammenhänge hergestellt. So war zum Beispiel ein Kapitel
dem Thema Wein gewidmet, da in der Entlohnung Trogers für seine Werke neben
Geld auch Wein eine große Rolle spielte (bei seinem Tod beliefen sich seine
Weinvorräte auf ca. 3.000 Liter). Dieses Faktum war Ausgangspunkt für einen
Exkurs zur Bedeutung des Weins im 18. Jahrhundert, wo er nicht nur ein
Genussmittel, sondern auch ein Ersatz für das oft minderwertige Trinkwasser
war. Dem Geldwert der von Troger bezogenen Weindeputate wurden in der
Ausstellung auf pointierte und anschauliche Weise (siehe die Fotos unten) die
Einnahmen unterschiedlicher Berufsgruppen und die Höhen verschiedener Aufwendungen
(von Gebrauchsgütern über die lebendige Einbringung von Räubern bis hin zu den
Subsidienzahlungen Frankreichs an die habsburgischen Verbündeten) gegenüber
gestellt.
Ein Kuchlmensch (= Küchengehilfin)
mit Angabe des Jahreseinkommens
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Verschiedene "Ausgabenpakete" mit Wertangaben,
vom Weihrauch bis zur Subsidienzahlung
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Über diese Troger-Ausstellung hinaus war das Stift Altenburg
ganz generell museologisch besonders interessant: Im Rahmen einer seit
2001 vorgenommenen Generalsanierung wurde die denkmalgeschützte historische
Bausubstanz für einen zeitgemäßen Museumsbetrieb adaptiert (Architektur:
Jabornegg & Pálffy), wobei unter anderem die archäologischen Ausgrabungen
auf der Altane überdacht und zugänglich gemacht wurden. Dabei handelt es sich
um ein sehr gelungenes Beispiel für das Zusammenspiel von baulichen Relikten
und moderner Ausstellungsarchitektur, und zwar sowohl in ästhetischer Hinsicht
als auch den Nutzwert betreffend. Es erfreut wirklich ungemein, an einem touristisch bedeutsamen Ort einmal nicht die so verbreitete plumpe und vermeintlich (oder tatsächlich?) vom breiten Publikum gewünschte Event- und Erlebnisarchitektur anzutreffen - dafür ist nicht nur den Architekten, sondern ganz besonders den Verantwortlichen im Stift Altenburg zu danken!
Links:
Liesbeth Waechter-Böhm über die Architektur von Jabornegg & PálffyLinks:
Ausstellungsarchitektur von Jabornegg & Pálffy
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2 Kommentare:
Liebe Susanne, herzlichen Dank für Deinen Beitrag - schön, auf diese Weise mal wieder zu hören und zu lesen! herzliche grüße,
nina
Sehr schöner Beitrag. Danke
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